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  • »Neue Gesellschaft für Psychologie«

Wer zornig ist, kann sich verrennen

Die »Neue Gesellschaft für Psychologie« steht womöglich vor einer Spaltung

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Phänomenen der Spaltung ist die Psychologie vertraut - zumindest in Theorie und Heilpraxis. Nun aber scheint sich ausgerechnet in dem kleinen Bereich derjenigen Seelenkunde, die individuelle Abweichungen noch kritisch mit sozialen Verhältnissen verbindet, selbst eine Spaltungstendenz abzuzeichnen.

Dies sorgt für Sorge im Vorstand der »Neuen Gesellschaft für Psychologie und Nachbardisziplinen« (NGfP), die sich am Wochenende in Berlin zur Jahrestagung versammelte. Es habe sich, so Vorstandsmitglied Christoph Bialluch, darob zeitweise eine »Lähmung« der Kongressvorbereitung ergeben.

Es geht um einen offenen Brief einer »Initiative kritische Psychologie« aus dem Dezember, der schwere Vorwürfe gegen den Vorstand der 1991 gegründeten NGfP erhebt. Unter dem Vorsitz von Klaus-Jürgen Bruder sei dieselbe »weitgehend in den verschwörungsideologischen Sumpf der Querfront eingegangen«. Auch ist von »friedenspolitisch verbrämtem Antiamerikanismus« und »strukturellem Antisemitismus« die Rede. Unterzeichnet haben 30 eher jüngere Fachvertreter, von denen sich etliche früher am Verband beteiligt hatten.

Der Antisemitismusvorwurf bezieht sich primär auf den Auftritt des israelischen Historikers Moshe Zuckermann beim NGfP-Kongress 2015. Zuckermann, ein scharfer Kritiker zumal der gegenwärtigen Regierung Israels, wird der Verharmlosung von Antisemitismus bezichtigt.

Nun wäre ja die notorische ideologische Inversion im Nahostkontext ein Thema für einen Psychologiekongress: Warum fühlen sich so viele deutsche Linke verpflichtet, der israelischen Rechten so überbordend beizuspringen - und die ohnehin bedrängte israelische Linke mit Hass und Häme zu überziehen? Doch Bruder, Dozent an der Berliner FU und als einstiger Promovend Peter Brückners fast eine Figur der Zeitgeschichte, verteidigte sich am Freitagvormittag überaus plump mit dem Verweis auf eine »Antisemitismuskeule«. Das brachte, vorsichtig formuliert, die Debatte nicht voran.

Zugleich liegt dem offenen Brief eine rhetorische Strategie zugrunde, die kaum auf Auseinandersetzung zielt. Es scheint wichtiger, wo etwas steht, als was es sagt. Dass auf der Webseite der NGfP mitunter auf Artikel aus »obskurantistischen« Internetportalen wie Rubikon-News oder Nachdenkseiten verwiesen wird, ist dann schon genug der Recherche. Sicher finden sich dort Texte, die man kritisieren muss - aber gilt das nicht für »Zeit« und »FAZ«?

Tatsächlich problematisch ist indessen das Interview, das Bruder dem berühmt-berüchtigten Internetmoderator Ken Jebsen gegeben hat. Auch wer in der Tatsache selbst noch keinen Skandal erkennen will, stutzt schon sehr an der Stelle mit der »Flugzeugtheorie« bei den New Yorker Anschlägen vom 9. September 2001, die viele Fragen offen lasse. Auf der anderen Seite erregen sich die Briefeschreiber über Bruders Aussage, eine große Mehrheit der Krim-Bevölkerung habe 2014 den Anschluss an Russland begrüßt, was ziemlich sicher den Tatsachen entspricht.

Am Ende wird man wohl in Bruders Richtung sagen müssen, dass, wer zornig ist, sich auch verrennen kann. Und dass, solange solche Themen im Raum stehen, die auf dem Kongress verhandelte Frage ins Hintertreffen gerät: Wie nämlich Psychoanalyse und Psychologie auf die Frage antworten können, inwiefern und warum wir in einer »Gesellschaft ohne Opposition« leben.

In die Richtung der Briefeschreiber indessen muss der Hinweis ergehen, dass dieses Programm keineswegs »weitgehend« querfrontartig war. So bleibt zu hoffen, dass sie in einem nächsten Schreiben nicht etwa diejenigen, die nun in Berlin auftraten, in den gleichen Sack stecken.

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