Kreuzberger Prekariat

Das ZDF zeigt seine Berlin-Serie »Just Push Abuba« vorab im Netz

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Feststellung ist nicht neu, stammt eher aus den 1990er als den 2010er Jahren: Berlin - da ziehen ja, physisch ebenso wie fiktional, noch immer viele hin. So cool, so schick, so räudig, um nicht »arm, aber sexy« zu sagen, war und ist Berlin, dass Lässigkeit das Synonym für die Stadt wurde. Bis jetzt. Denn der Tonfall ändert sich. Die Adoleszenzverweigerer der ZDF-Serie »Nix Festes« zum Beispiel kamen kürzlich schon deshalb kaum zum Erwachsenwerden, weil sie ständig auf dem eigenen Wohnort herumhacken mussten.

Nun kommt die nächste Breitseite auf die Hauptstadt, den Inbegriff urbaner Zwanglosigkeit: »Just Push Abuba«. Dieser fremd klingende Name steht auf einer Kreuzberger Haustürklingel, die Gäste drücken sollen, falls sie bei Toni, Lucia und Joon übernachten wollen. Aus chronischem Geldmangel vermietet die WG einen Teil ihres Flurs an Touristen.

Gemäß den Gesetzen der Comedy-Branche liefert diese Konstellation nun reichlich Gelegenheit für Begegnungen der bizarren Art. Doch wenn berühmte Psychoanalytiker und kalifornische Start-up-Ikonen, Transgender-Models oder Berghain-DJs auf Zeit ins Szeneviertel ziehen, beschränkt sich der interkulturelle Zusammenstoß nicht auf Menschliches.

Vor der ZDF-Ausstrahlung am 16. April ist die Berlin-Serie »Just Push Abuba«, bestehend aus sechs achtminütigen Folgen, auf Youtube und in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Die Web-Serie ist ein Kommentar auf alles, was Berlin zugleich anziehend und abstoßend macht: ein ausgestellter Kosmopolitismus zum Beispiel, in dessen Sog drei Viertel der Dialoge auf Englisch sind, also deutsch untertitelt werden. Dazu kommt das notorische Insistieren auf Berlins Außergewöhnlichkeit, die ständig in exzessive Partys oder in einen revolutionären Alltagsgestus mündet. Und natürlich die dramaturgische Basis des Formats, das zwar ulkig wirkt, aber bierernst ist: Die private Vermietung der halben Innenstadt heizt den enormen Wohnungsmangel der Metropole fast so an wie gewissenlose Spekulanten.

Doch so kurzweilig, in der Skizzierung großstädtischer Vereinsamung manchmal gar tiefgründig »Just Push Abuba« auch ist - um Politik schert sich die Serie nur selten. Schließlich ist sie auf die internetaffine Generation Z zugeschnitten, jene Digital Natives unter 20, denen selbst ein DVD-Player schon nostalgisch vorkommt. Für sie versammelt das ZDF eine ganze Reihe Netzgestalten wie Freshtorge auf der Besetzungsliste. Im, hüstel, wahren Leben versorgt der »Netz-Entertainer« zweieinhalb Millionen Abonnenten seines Youtube-Kanals mit den Sinnlosigkeiten des Internets. In der Web-Serie will er, der Vermieter, den Untervermietern das Untervermieten verbieten.

Anton Weil - als Kreuzberger Eigengewächs Toni - ist zwar ebenso wie Elli Tringou, die seine griechische Mitbewohnerin Lucia spielt, ausgebildeter Schauspieler. Umringt werden die beiden allerdings von komplett talentfreien PR-Gestalten wie etwa dem Youtuber Joon Kim (als er selbst) oder Uwe Ochsenknechts Sohn Wilson Gonzalez, der keine drei Worte aneinanderreihen kann. Und der Reklameonkel Friedrich Liechtenstein darf auch mal fotogene Werbung in eigener Sache machen. Das nimmt »Just Push Abuba« nichts von seinem Charme, hinterlässt aber einen faden Nachgeschmack. Modern ist die Serie ja. Das ZDF kann’s gebrauchen.

Verfügbar auf Youtube und auf zdf.de

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