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Datenschutz versus Pressefreiheit

Thüringens Journalistenverband fordert von Rot-Rot-Grün, für eine neue EU-Verordnung Ausnahmen zu beschließen

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Immerhin versucht diese Vorschrift gar nicht zu verheimlichen, wie kompliziert der Umgang mit ihr ist: Schon die Bezeichnung »Europäische Datenschutzgrundverordnung« - nicht wirklich kurz abgekürzt mit: EU-DSGVO - lässt erahnen, dass es für kaum jemanden ein Spaß wird, wenn diese Richtlinie ab Mai EU-weit in Kraft tritt. Und zwar »unmittelbar«, sodass sie also sofort direkt für das Leben in der Union gilt.

Anders als vieles andere EU-Recht muss die EU-DSGVO nicht erst noch durch Bundes- oder Landesgesetze angewendet werden. Ab Mai regelt sie in wichtigen Teilen, wie das mit dem Datenschutz in der EU so laufen soll in den nächsten Jahren. Wobei es durchaus einzelne Bereiche gibt, in denen der Bund und die Bundesländer innerhalb dieser Verordnung eigene Regeln durchsetzen können.

Letzteres fordert der Thüringer Landesverband des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) von der Politik im Freistaat. Weil nach Einschätzung des DJV diese komplizierte Verordnung die Pressefreiheit im rot-rot-grün regierten Thüringen gefährdet. Um das zu verhindern, so sagt die DJV-Landesvorsitzende Heidje Beutel, müsse das sogenannte Medienprivileg zum Datenschutz im Thüringer Pressegesetz und im Landesmediengesetz erhalten werden.

Der Hintergrund dieser Forderung ist ziemlich simpel: Das derzeit im Freistaat geltende Pressegesetz beziehungsweise Landesmediengesetz helfen, die Pressefreiheit zu sichern, indem dort quasi festgeschrieben ist, dass die Redaktionen etwa von Zeitungen, Online-Portalen, Radiostationen und Fernsehsendern nicht durch Behörden kontrolliert werden dürfen, die sich um den Datenschutz kümmern. Das gilt etwa für den Landesdatenschutzbeauftragten. Und es ist ein wesentlicher Teil der Pressefreiheit, weil sonst zum Beispiel ein Bürgermeister, dem die Berichterstattung über sich nicht gefällt, die Datenschutzbehörden einschalten könnte, um heraus zu bekommen, wer einer Redaktion Hinweise auf Fehler des Bürgermeisters gegeben hat. Oder ein Unternehmen könnte die Datenschützer einschalten, um zu erfahren, wer Informationen aus der Firma an die Presse weitergegeben hat. Das würde die entscheidende Stütze investigativer Recherchen zum Einsturz bringen: den Schutz der Quellen von Journalisten.

»Thüringen darf die Europäische Datenschutzgrundverordnung nicht so wie geplant umsetzen«, fordert deshalb Beutel. »Denn das würde dazu führen, dass Redaktionen Auskunft geben müssten, woher sie ihre Informationen haben. Das wird bisher durch das Medienprivileg verhindert.« Aus verschiedenen Fraktionen des Landtags immerhin heißt es überstimmend, die Abgeordneten wollten dafür sorgen, dass die Pressefreiheit in Thüringen durch die Anwendung der EU-DSGVO nicht ausgehöhlt werde. Das parlamentarische Verfahren, um die vorhandenen Spielräume des Landes bei dieser Verordnung zu nutzen, läuft gerade.

»Für die Fraktion Die Linke ist die Pressefreiheit unverhandelbar und aus gutem Grund in Artikel fünf des Grundgesetzes der Bundesrepublik verankert«, sagt etwa der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Steffen Dittes. Deshalb nehme man die Bedenken des DJV ernst. Die Einwände des Verbandes würden in die weiteren Beratungen der notwendigen Änderung der Landesgesetz einfließen.

Ähnlich äußert sich auch der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Werner Pidde. Seine Fraktion wolle die in der EU-Datenschutzgrundverordnung eingeräumte Möglichkeit nutzen, landesrechtliche Abweichungen und Ausnahmen von den Datenschutzbestimmungen festzulegen, wenn es um die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten für journalistische und literarische Zwecke gehe.

Innerhalb des rot-rot-grünen Regierungslagers sind offenbat nur die Grünen noch ein wenig unentschlossen, wie sie die europäische Datenschutzrichtlinie bewerten sollen - bei allen klaren Bekenntnissen zur Pressefreiheit. Ihre Fraktion sehe derzeit nämlich nicht, dass die EU-DSGVO die Pressefreiheit bedrohe, sagt die grüne Medienpolitikerin Madeleine Henfling. »Endgültig bewerten wollen wir das allerdings erst nach der Anhörung und dem zur Zeit noch stattfindenden Meinungsbildungsprozess.«

Aus der größten Oppositionsfraktion im Landtag - der CDU - heißt es, die Abgeordneten dort würden sehr genau darauf achten, ob die Koalition mit ihrem Gesetz die vorhandenen Spielräume zum Erhalt des Medienprivilegs vollumfänglich ausschöpfe. »Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das es entschlossen zu schützen gilt«, sagt der medienpolitischen Sprecher, Gerold Wucherpfennig.

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