Keine peinlichen Weißbierduschen

Christoph Ruf über die Reaktion der Bayern auf den vorfristigen Gewinn der Fußballmeisterschaft

Das »Aktuelle Sportstudio« hat am Samstag mal wieder alles richtig gemacht. Es hat die unwichtigste Nachricht des Wochenendes nicht künstlich hochgejazzt, sondern brav, artig und journalistisch sauber dort eingeordnet, wo sie hingehört: Hinter einen sehr langen Beitrag über den 3:2-Sieg des Hamburger SV gegen Schalke 04. Erst nachdem der versendet war, wurde vermeldet, dass der FC Bayern München Deutscher Fußballmeister der Saison 2017/2018 geworden ist.

Dessen Spieler Thomas Müller hat dann noch in ein Mikrofon gesagt, dass er bei der ersten seiner mittlerweile sieben Deutschen Meisterschaften euphorischer war. Was man gerne glauben mag, denn als er das sagte, sah er so euphorisch aus wie eine der Puppen bei Madame Tussaud. Das hat er wohl irgendwann dann auch selbst gemerkt und nachgeschoben, dass es im kleineren Rahmen dann doch noch etwas fröhlicher zuging: »Man macht Getränkeflaschen auf, hört auch Musik, tanzt ein bisschen. Wie ein Aufstieg in der Kreisklasse, nur etwas gedämpfter.«

Viel ist gespottet worden in den Stunden seit vergangenem Samstag. Darüber, dass Anderorten - zum Beispiel in der Kreisliga - simple Siege ausgelassener gefeiert werden als Meisterschaften beim FC Bayern. Darüber, dass nur ein Dutzend Bayern-Fans am Trainingsgelände gewartet hat, als die siegreichen Spieler vom 4:1 in Augsburg zurückkamen. Und darüber, dass es weit und breit nicht einen Bayern-Offiziellen gab, der irgendwas rumgebrüllt oder lallend vor sich hingesungen hätte, was man als Schnittbilder hätte benutzen können. In einem Land, in dem Junggesellenabschiede nicht mit Gefängnis geahndet werden, gilt Lautstärke in Verbindung mit Getränkeflaschen ja als stichhaltiger Beweis für Lebensfreude.

Mein Respekt vor den Bayern ist an diesem Wochenende jedenfalls deutlich gewachsen, gerade wegen ihrer strikten Weigerung, Weißbierduschen und ähnliche Peinlichkeiten aufzuführen. Warum sollten sie auch ein dermaßen voraussehbares Ereignis wie eine Deutsche Meisterschaft überinszenieren, nur weil eine Öffentlichkeit, die sich an die bodenlose Langeweile im deutschen Fußball längst gewöhnt hat, wenigstens ein paar Showeffekte verlangt, um nicht ganz wegzudämmern? Es ist wie es ist: für die Bayern zählt einzig und alleine die Champions League. Wenn sie die gewinnen, wird man Bayern-Spieler sehen, die tanzen, springen und singen, dass es eine wahre Freude ist. Vorausgesetzt, man ist Bayern-Fan. Die lähmende Dominanz in der Liga hat hingegen mit mehreren Faktoren zu tun, die nicht alle mit dem fraglos guten Management der Bajuwaren zu tun haben. Die Fernsehgelder werden nun mal so ungleich verteilt, dass die Bayern auch das Management des Kernkraftwerkes von Springfield haben könnten, und sie würden dennoch die Liga nach Belieben dominieren. Dennoch: Ehre, wem Ehre gebührt, zumal der FC Bayern ja dieses Jahr nicht nur die erfolgreichste und effektivste, sondern tatsächlich die mit Abstand beste Mannschaft war. Was nicht immer so war in der Vergangenheit.

Stilvoll hat sich auch Jupp Heynckes verhalten, der in Augsburg noch mal kurz um Aufmerksamkeit bat, um seinem Vorgänger Carlo Ancelotti zu danken, der ebenfalls seinen Anteil an der Meisterschaft habe. Heynckes wird einem jedenfalls Jahr für Jahr sympathischer.

Auch am Tabellenende gibt es im Übrigen noch echtes Leben. Am kommenden Wochenende, oder eben am Tag nach dem eigentlichen Wochenende, hat der Spielplan den FSV Mainz 05 und den SC Freiburg zusammengebracht. Anstoß ist am Montag um 20 Uhr 30. Womit eigentlich auch der letzte Naivling verstanden haben müsste, dass es bei den bei den Fans so unbeliebten Montagsspielen nicht darum geht, einen Puffertag für von der Europa-League strapazierte Topvereine einzuführen. Denn sowohl Mainz als auch Freiburg wären schon heilfroh, wenn sie nächste Saison überhaupt wieder erstklassig spielen könnten. Es geht einzig und allein um TV-Quote und die maximale Befriedigung von Menschen, die Fußball am liebsten mit einer Chipstüte in der Hand und einer weichen Couch unterm Hintern anschauen. Die aktive Fanszene von Mainz und Freiburg gehört nicht zu dieser Kategorie von Menschen, weshalb die beiden zur besten Fußballzeit, also am Samstag um 15 Uhr 30, gegeneinander ein Freundschaftsspiel am schönen alten Bruchwegstadion zu Mainz austragen. Aus Protest. Vor allem aber aus Gründen der Selbstachtung.

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