• Kultur
  • Feine Sahne Fischfilet

Machen statt labern

Mit »Wildes Herz« ist Regisseur Charly Hübner ein intimes Portrait der Band Feine Sahne Fischfilet und ihrem Sänger Monchi gelungen

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Morgen sind die Drecksnazis wieder da, aber heute gehört Anklam uns«, schreit Jan »Monchi« Gorkow den rund 2000 tobenden Gästen entgegen. Viele sind jung, für die meisten dürfte es die größte Party sein, die es für sie in der »national befreiten« 12.000-Einwohnerstadt in Mecklenburg-Vorpommern jemals gab. Die größte Feier ohne Rechte sowieso. Es folgen Pyro, Schweiß, Schnaps, nackte Bäuche, Marteria und Campino - ein wahres antifaschistisches Gelage, das vor allem Kraft spenden soll. Kraft, das »Maul aufzumachen, auch wenn es wehtut«, nicht in die Großstädte zu fliehen, »wie alle coolen Leute«, sich zu erinnern, dass man auch hier trotz allem nicht alleine ist.

Die Punkband Feine Sahne Fischfilet mit Frontmann Monchi versuchte 2016 mit ihrer »Noch nicht komplett im Arsch«-Tour, die Lücke mit Kultur zu füllen, die der Rückzug von demokratischen Parteien und Zivilgesellschaft aus Teilen Mecklenburg-Vorpommerns hinterlassen hatte. Sie organisierten Fußballspiele mit Geflüchteten, hielten Vorträge und besuchten die Nester, in denen Resignation immer häufiger in Hass mündete. Am Ende wurden es bekanntlich trotzdem 21 Prozent für die AfD. Die zerknirschten Gesichter der Bandmitglieder am Wahltag, sie zeigen Trotz, Wut, aber auch die Gewissheit, viel auf die Beine gestellt zu haben.

Mitschunkeln im Kopf
Kreuzbrav ist der Dokumentarfilm »Wildes Herz«, Höhepunkte sind Mangelware. Er entführt den Zuschauer in eine Spießerhölle abgematteter Vokuhila-Farben.

Der Versuch einer Hand voll Künstler und Aktivisten, sich dem Rechtsruck im Nordosten entgegenzustellen, kann fortan im Kino erlebt werden. Charly Hübner, vor allem bekannt als »Polizeiruf«-Kommisar Bukow, und sein Co-Regisseur Sebastian Schultz hatten Feine Sahne Fischfilet fast fünf Jahre lang begleitet. Es waren gerade die Jahre, in denen die AfD an Macht gewann, der Flüchtlingszuzug Deutschland polarisierte, linke Routinen an Grenzen kamen.

Herausgekommen ist mit »Wildes Herz« so zum einen ein Porträt über eine Punkband, die von 2011 bis 2014 in den Verfassungsschutzberichten des Landes mehr Raum bekam als der NSU und alle Nazi-Bands zusammen. Die sich für die Werbung bedankte, weitermachte und ihren wachsenden Einfluss schamlos zur Verbreitung ihrer Botschaften einsetzte. Der Jenaer Pfarrer Lothar König nannte sie im Interview gar »eine neue christliche Urband wie Ton Steine Scherben«. Hübner hatte es dabei geschafft, neben Bandmitgliedern, Angehörigen, Hansa-Rostock-Fans und Grundschullehrern auch nun scheinbar milder gestimmte Vertreter der Staatsmacht zu Wort kommen zu lassen.

Zum anderen zeichnet der Dokumentarfilm ein intimes Porträt über den Sänger Gorkow selbst. Die Leinwand verfolgt Monchis erste miese Gesangsversuche, seine Jugendjahre als Hansa-Hooligan. Zwei Jahre Bewährung bekam er für das Abfackeln eines Polizeiautos, seine Eltern mussten ihn mit 14 aus dem Polizeigewahrsam abholen. »Es war eine abgefuckte Zeit«, resümiert der wuchtige Musiker. Die friedliebenden Eltern, überfordert und verunsichert und doch unterstützend. Grandios die Szene, in der der Sohn den Vater im Garten fragt, ob er jemals in seinem Leben eine Mülltonne umgeworfen hat.

Die Anfänge der Band werden nicht beschönigt. »Es ging um Saufen und um Sex, das fanden auch Nazis geil«, erklärt Gorkow. Es kam der Punkt, wo man sich entscheiden musste. Monchi politisierte sich, Fußballprügeleien verloren ihren Reiz. Hübner hakt an den richtigen Stellen nach.

Der Film zeigt Gorkow als Rampensau mit Ecken und Kanten. Einer, der auch mal Mist redet, aber sich dessen bewusst ist. Seine Ex-Freundin nennt ihn einen Narzissten, sein Mitbewohner ist schon mal angeekelt. »Ich bin voller Rassismus und Sexismus«, gesteht der Sänger. Und schafft es doch, seine Werte in einer Klarheit auszudrücken, die linke Politiker nicht hinbekommen. »Selbstverständlich lassen wir die Leute nicht verrecken.« Mehr gibt es nicht zu sagen.

Die akademische Linke diskutiert derzeit angestrengt, wie man Menschen außerhalb der eigenen Blasen erreichen kann. Feine Sahne Fischfilet machen einfach, und das erfolgreich. Dafür reichen Schrammelpunk, Rückgrat und wilde Herzen.

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