Sieben Tage, sieben Nächte
Darf eine Mutter über Familienpolitik schreiben? Aber selbstverständlich kann eine Journalistin mit Kindern über Kitas und Erziehungszeiten berichten, lautet die vorherrschende Meinung. Ich kenne jedenfalls keine Redaktion, in der jemals darüber diskutiert wurde, ob Kolleginnen mit Kindern parteiisch sind, wenn es zum Beispiel darum geht, ob Kinderlose einen höheren Pflegebeitrag zahlen sollten. Müttern und zunehmend auch Vätern wird eher qua Elternschaft ein gewisser Expertenstatus zugebilligt: Sie können nicht nur, sie sollen über Familienpolitik schreiben.
Dürfen Gewerkschaftsmitglieder über Gewerkschaften schreiben? Ein Redakteur, der bei einer Zeitschrift arbeitet, hat hierzu einmal seinen Kollegen klipp und klar gesagt: Nein! Ein Gewerkschaftsmitglied sei nämlich parteiisch, gewerkschaftsnah eben, und könne also nicht objektiv über IG Metall und Co. berichten. Ihm wurde damals entgegnet, es sei auch eine politische Entscheidung, nicht einer Gewerkschaft anzugehören.
In der nd-Redaktion wurde vor einiger Zeit darüber diskutiert, ob Redaktionsmitglieder, die sich ehrenamtlich in politischen Organisationen engagieren, über diese Organisationen schreiben sollten. Wir haben entschieden, dass im Einzelfall geprüft werden muss, ob diese Person zu nah dran ist an einem Thema und deshalb besser nicht den Chef oder die Chefin dieser Organisation interviewt.
Selbstverständlich gibt es keinen neutralen, über allem schwebenden Journalisten. Eltern machen andere Erfahrungen als Kinderlose. Ihre Erfahrungen können für ihren Beruf nützlich sein, sie können ihre Erlebnisse aber nicht schnurstracks verallgemeinern. Und: Eltern müssen sich ebenso wie Kinderlose in die Familienpolitik einarbeiten, wenn sie sie verstehen wollen.
Kürzlich ist auf dem Flur der nd-Redaktion darüber diskutiert worden, inwiefern Menschen, die nicht bei Facebook angemeldet sind, über Facebook schreiben können. Sie können nicht erzählen, wie nützlich dieses Netzwerk für sie ist. Aber sie können die Geschäftspolitik des US-Konzerns erkunden und gute Beiträge darüber verfassen. Es gibt auch Redakteure, die hilflos sind, wenn ihr Computer nicht das macht, was er tun soll, und die dennoch fundierte Artikel über die IT-Branche schreiben.
Der Soziologe Thomas Wagner ist kein Facebook-Nutzer. Er hat sich aber intensiv mit der Konzernlandschaft im Silicon Valley und der Frage befasst, warum ein öffentlich-rechtliches Internet nötig ist. Und darauf kommt es an. Seinen Beitrag finden Sie auf Seite 23. Auf der folgenden Seite informiert Martin Koch (Ex-Facebook-Nutzer) über eine Meta-Studie zu Schulleistungen und Social-Media-Nutzung. Eva Roth
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