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  • Mieterprotest in Berlin

Zehntausende gegen Mietenwahnsinn auf der Straße

Bislang größter Protest gegen Verdrängung und für bezahlbares Wohnen in der Hauptstadt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Sie haben es satt: Rund 25.000 Menschen haben am Samstag in Berlin laut Veranstalterangaben gegen steigende Mieten demonstriert. Angemeldet waren 4.000 Teilnehmer. Trotz des anfangs starken Regens zogen sie vom Potsdamer Platz durch Schöneberg bis nach Kreuzberg. Unter dem Motto »Widerstand - gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn« hatten 254 Initiativen und Organisationen zu dem Protest aufgerufen. Die Demonstration war der bislang größte Protest gegen die Wohnungspolitik in Berlin. Im September 2016 und im April 2017 waren jeweils nur mehrere Hundert Teilnehmer auf die Straße gegangen.

Die jungen wie alten Demonstranten trugen bunte Transparente, auf denen »Wohnraum statt Weltraum« oder »Mieter sind keine Zitronen« stand, und skandierten: »Wenn die Mieten steigen, rufen wir enteignen«. Ein älteres Paar aus Pankow berichtete von dem erfolgreichen Widerstand gegen Mieterhöhungen. Mieter eines Hauses in der Gleditschstraße schilderten ihren gemeinsamen Protest gegen den Verkauf ihres Wohnhauses und die Unterstützung des Bezirks Schöneberg. Eine Mieterin aus Charlottenburg sagte, dass es sich zu kämpfen lohnt.

Die Initiatoren verlangen einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und Mietenpolitik. Schluss mit dem Verkauf von Wohnungen, forderte ein Gründungsmitglied des Bündnisses »Bezahlbare Mieten Neukölln«, das die Demo mitorganisiert hat. »Wohnraum ist keine Ware«, sagte er. Jetzt sei der Bund gefragt, andere Bedingungen zu schaffen.

Zustimmung erhielten die Demonstranten vom Regierenden Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD). Vom neuen Heimatminister Host Seehofer (CSU) forderte er die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zügig umzusetzen: »Berlin hat alle vorhandenen gesetzlichen Instrumente ausgeschöpft. Der Bund muss jetzt liefern«, sagte Müller.

Auch Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) sah die Bundesregierung in der Pflicht gegen steigende Mieten in Großstädten. »Als allererstes brauchen wir tatsächlich Umsteuerungen im Mietrecht«, sagte Lompscher am Samstag am Rande eines Parteitags der Berliner Linken. Dass bei bestehenden Verträgen die Miete um 15 Prozent in 3 Jahren steigen dürfe, sei beispielsweise zu hoch.

Die Berliner CDU hingegen sah die Verantwortung für die steigenden Mieten bei der rot-rot-grünen Landesregierung. »Berlins Mieten-Problem entsteht nicht, weil mit Wohnungen Geld verdient wird, sondern weil der Senat schlichtweg zu wenig baut«, erklärte Christian Graeff, Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Die Demonstration war der Höhepunkt von zehn Aktionstagen, an denen in ganz Berlin über 60 Einzelaktionen der unterschiedlichen Initiativen stattfanden. »Dieser Protest der Vielen in Form einer Demonstration ist sicher nicht der Schlusspunkt eines Aufbegehrens der Mieter*innen in den großen Städten«, erklärten die Veranstalter.

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Wohnungslosigkeit ist in Berlin ein wachsendes Problem. Rund 30.000 Menschen ohne Bleibe haben die Berliner Behörden im Jahr 2016 untergebracht, fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Für 2017 schätzte Berlins Sozial-Staatssekretär Alexander Fischer (LINKE) die Zahl bereits auf 50.000 und mehr. dpa/nd

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