Vom Nachbarn gefilmt
Berlins Datenschutzbeauftragte warnt vor dem Einsatz privater Überwachungstechnik - der sei häufig illegal
Eigentlich sollen sie nur den mutmaßlichen Einbrecher filmen, oft laufen aber auch Nachbarn oder Besucher vor die Linse privater Überwachungskameras. In Berlin sind die Fotofallen in Wohnhäusern und auf Privatgrundstücken zum Problem geworden, denn viele Leute fühlen sich gestört. Die Beschwerden bei der Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk haben in den vergangenen Jahren extrem zugenommen, wie ihre Sprecherin Dalia Kues sagte.
Die Videoüberwachung sei einer der Bereiche, zu dem die meisten Beschwerden eingingen. »Ein beträchtlicher Teil der Klagen kommt auch von Nachbarn«, berichtete die Sprecherin. Häufig gehe es um Kameras, die an Balkonen oder Haustüren installiert seien und von dort den Hof oder den Hausflur erfassten. »Es kommt auch vor, dass Eigentümer oder Vermieter die Kameras anbringen, oftmals zum Schutz vor Einbrechern.«
Wie viele solcher Geräte in Innenhöfen und Hauseingängen hängen, sei nicht bekannt. »Die Kameras sind nicht meldepflichtig, darum gibt es einen ziemlichen Wildwuchs«, erklärte Kues. Auch zur Zahl der Beschwerden liege keine Statistik vor. Intern habe man aber bereits Krisensitzungen wegen der Zunahme abgehalten.
Ein Grund dafür könnte die leichtere Verfügbarkeit von Wildkameras sein. Sie sind inzwischen zu Preisen ab 100 Euro erhältlich, auch Discounter haben sie schon angeboten. Die Fotofallen in wetterfestem Gehäuse lösen beim Erfassen von Bewegungen automatisch aus und speichern die Aufnahmen auf einer SD-Karte, andere Geräte zeichnen ganze Videos auf. Dank Infrarot liefern die meisten auch nachts scharfe Bilder. Bei der Erfassung der Beschwerden werde nicht zwischen den Modellen unterschieden, sagte Kues. Ein Trend lasse sich also nicht mit Zahlen belegen.
Ob Wildkamera oder sonstige Fotofalle - in fast allen Fällen sei die Videoüberwachung illegal, weil sie die schutzwürdigen Interessen der Anwohner verletze. Überwacht jemand ausschließlich sein Privatgrundstück, sei nichts dagegen einzuwenden, so Kues. »Sind aber öffentlich zugängliche Bereiche auf dem Video zu sehen, muss es ein berechtigtes Interesse für die Überwachung geben.« Wurde bei einem Bewohner mehrfach eingebrochen, dürfte er seine Wohnungstür filmen. Ist hingegen auch die Tür des Nachbarn auf dem Video zu sehen, droht ein Bußgeld.
Strafbar macht sich, wer eine Kamera anbringt, um sich selbst zu bereichern oder anderen zu schaden. »Wer zum Beispiel die Nachbarn überwacht, um zu beweisen, dass sie Müll über den Gartenzaun werfen. Oder aber wer die Aufnahmen nutzt, um zu drohen oder zu erpressen«, erklärte Dalia Kues. Ob die Bestimmungen eingehalten werden, ließe sich nur überprüfen, sobald der Behörde eine Beschwerde vorliege.
In Wäldern werden laut Deutschem Jagdverband Fotofallen eingesetzt, um Tiere zu beobachten. »Jäger sichten damit seltene oder scheue Tieren wie Wölfe oder Wildkatzen«, sagte ein Sprecher. In der Regel seien die Kameras an Stellen angebracht, wo kaum Menschen hinkämen. Wenn doch einer vor die Linse laufe, würden die Bilder gelöscht. Wie viele Kameras in Berliner Wäldern hängen, werde nicht erfasst. Bisher sei deswegen aber keine einzige Beschwerde bei der Datenschutzbeauftragten eingegangen. dpa/nd
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