Kims Überraschungscoup im Atompoker
Nordkorea erklärt vor Gipfeltreffen den vorläufigen Verzicht auf Nuklear- und Raketentests
Das internationale Echo auf den Überraschungscoup von Kim Jong Un am Wochenende war überwiegend positiv. Kein Wunder: Der Streit um das nordkoreanische Nuklearprogramm gehört seit Jahren zu den gefährlichsten Konflikten auf der Weltbühne. Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hatten sich die Spannungen im Vorjahr noch einmal deutlich verschärft, weil Pjöngjang mehrfach Trägerraketen sowie eine weitere Atombombe getestet und der neue Mann im Weißen Haus unter dem Motto »Zorn und Feuer« im Gegenzug quasi die atomare Vernichtung Nordkoreas angedroht hatte.
Nun also Kims vorläufiger Verzicht auf Atom- und Raketentests, der natürlich mit Blick auf anstehende historische Treffen ausgesprochen wurde. Erst trifft der nordkoreanische Machthaber in dieser Woche im Grenzort Panmunjom zum dritten gesamtkoreanischen Gipfel seit Ende des Korea-Kriegs (1950-1953) mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In zusammen. Dann werden sich sogar Kim und Trump an den Verhandlungstisch setzen - wo, steht zwar noch nicht fest, aber wahrscheinlich sollen die vor einem Jahr noch undenkbaren Gespräche Anfang Juni stattfinden.
Von einem positiven Schritt nach vorn, der zur Vertrauensbildung beitrage, sprach UN-Generalsekretär António Guterres. »Sehr gute Neuigkeiten für Nordkorea und die Welt« sah der US-Präsident. Auch aus Südkorea, China und der EU kamen zustimmende Reaktionen. Nachdem sich die Spannungen noch vor wenigen Monaten bis an den Rand eines Atomkriegs aufgeschaukelt hätten, böte sich nun eindeutig die Chance auf eine Deeskalation, betonte der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow.
Allerdings fehlt es auch nicht an Warnungen, die Erwartungen zu hoch zu schrauben. Schon einmal hatte Pjöngjang nach einer Einigung mit Washington im Februar 2012 ein Moratorium für Tests mit Atombomben und ballistischen Raketen verkündet. Es hielt nur wenige Wochen. Jetzt ist es so, dass in der Erklärung eben nicht vom gänzlichen Verzicht auf das Atomprogramm die Rede ist, wie es die internationale Gemeinschaft inzwischen fordert. Im sechs Punkte umfassenden Beschluss des Zentralkomitees der Arbeiterpartei heißt es laut der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA lediglich: »Wir werden die Atomversuche und Teststarts mit Interkontinentalraketen vom 21. April 2018 an nicht fortsetzen. Das nördliche Atomtestgelände wird demontiert, um transparent die Aussetzung der Atomtests zu garantieren.« Tokio moniert deshalb auch, dass sich der Teststopp nicht auf Kurz- und Mittelstreckenraketen beziehe, in deren Reichweite Japan und andere Nachbarländer liegen.
In Punggye-ri hatte Nordkorea in den vergangenen zwölf Jahren seine sechs Atomwaffentests vorgenommen, den bisher letzten vergangenen September mit einem Sprengkopf 16 Mal stärker als die Bombe, die die USA über Hiroshima abgeworfen haben. Diese Versuche hätten die unterirdische Anlage ohnehin schwer in Mitleidenschaft gezogen, so Experten. Kim begründete die Entscheidung nun mit dem »großen Sieg« der Voll-endung des Atomprogramms. Das mache weitere Tests unnötig. Die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen forderte Nordkorea dann auch umgehend zur Unterzeichnung des Atomteststoppvertrags auf. Aber auch andere noch ausstehende Länder wie die USA und China sollten diesen Schritt endlich tun, hieß es in Wien.
Fraglos hat sich Kim mit seiner Ankündigung für die anstehenden Spitzengespräche mit den Präsidenten Südkoreas und der USA in eine bessere Position gebracht. Auch das neue Moratorium bedeute aber noch keinen wirklichen Schritt hin zur Entnuklearisierung, ist sich Christopher Green von der International Crisis Group sicher.
Tatsächlich betonte Kim am Wochenende, dass der Besitz von Atomwaffen eine »beständige Garantie« sei, die den Nachfahren »das würdevollste und glücklichste Leben in der Welt« sichere. In einer Analyse von 2016 schätzt Südkorea die Menge an waffenfähigem Plutonium im Besitz Nordkoreas auf 50 Kilogramm. Das würde für ungefähr zehn Atombomben reichen. Zu ähnlichen Bewertungen kommt auch das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI.
Fast ein wenig unter ging bei all dem, dass die nordkoreanische Parteiführung jetzt auch beschlossen hat, dass man sich künftig stärker auf die Entwicklung der Wirtschaft konzen-trieren wolle. Nicht zuletzt durch die internationalen Strafmaßnahmen liegt das arme und weitgehend isolierte Land mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern ökonomisch am Boden. Beim anstehenden Gipfel mit Trump dürfte es aus nordkoreanischer Sicht also nicht nur um Sicherheitsgarantien gehen, sondern auch um eine Lockerung der Sanktionen.
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