Empörung über Urteil in Vergewaltigungsprozess

Zehntausende demonstrieren gegen Missbrauchs-Urteil in Spanien / 1,2 Millionen Unterschriften für Petition gegen Richter in Pamplona

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 5 Min.

Zwei Jahre sind seit dem Vorfall bei der berühmten Stierhatz in baskischen Pamplona vergangen, jetzt sorgt das Urteil im dazugehörigen Vergewaltigungsprozess für Proteste in ganz Spanien. Zehntausende Menschen gingen am Samstag auf die Straße, um gegen die milden Urteile für fünf Männer, die der Gruppenvergewaltigung angeklagt waren, zu protestieren. Mehr als 1,2 Millionen Menschen unterzeichneten bereits eine Protestpetition, in der Spaniens Oberstes Gericht aufgefordert wird, die für das Urteil verantwortlichen Richter in Pamplona des Amtes zu entheben.

Lesen Sie auch: Wir sind das Wolfsrudel – Samuela Nickel über die Massenproteste gegen Vergewaltigungen in Spanien

Was war passiert? Eine 18-jährige aus Madrid hatte bei der Polizei angezeigt, im Juli 2016 während der »Fiesta« in Pamplona von fünf Männern vergewaltigt worden zu sein. Die Täter wurden durch die überall aufgestellten Kameras bei den alljährlichen San Fermines auch schnell von der jungen Frau im Trubel identifiziert und festgenommen. Auf ihren Handys fanden sich dann fürchterliche Videos. Denn »La Manada« (Das Rudel), wie sich die Männer selbst nannten, hatten die Taten gefilmt, um die Aufnahmen per Nachrichtendienst WhatsApp zu teilen.

Das Urteil gegen die fünf Männer aus dem andalusischen Sevilla wurde mit Spannung erwartet. Als es nun zum Wochenende erging, brach sich Empörung Bahn. Allein in Pamplona gingen am Samstag nach Polizeiangaben mehr als 35.000 Menschen auf die Straße. Seit Tagen gibt es überall im Baskenland und weit darüber hinaus große Kundgebungen vor Gerichten. Im gesamten spanischen Staat demonstrieren viele Menschen gegen ein Urteil und fordern die Absetzung der Richter, die nur wiederholten sexuellen Missbrauch unter der Ausnutzung der schutzlosen Lage des Opfers erkennen wollten.

Binnen weniger Tage haben zudem knapp 1,3 Millionen Menschen eine Petition unterzeichnet: »In einem Land, in dem wir ein so großes Problem mit Macho-Gewalt haben, können wir uns keine Richter erlauben, die keinen sexuellen Übergriff darin sehen, wenn fünf Männer eine schutzlose betrunkene junge Frau angreifen, ihr das Telefon rauben, damit sie keine Hilfe herbeirufen kann und dann einfach liegenlassen.«

Viele Menschen können offenbar nicht verstehen, dass die Angeklagten zu nur jeweils neun Jahren Haft verurteilt wurden. Die Staatsanwaltschaft spricht dagegen weiter von Vergewaltigung und hat mit den Nebenklägern – zu denen auch die Stadt Pamplona gehört – und den Anwälten des Opfers Rechtsmittel gegen das Urteil für die 27- und 28-jährigen Angeklagten angekündigt. Die Täter wurde vom Gericht wegen »sexuellen Missbrauchs« verurteilt. Im Gegensatz zum Straftatbestand des »sexuellen Angriffs« bedeutet dies im spanischen Recht, dass keine »Gewalt« oder »Einschüchterung« seitens der Kläger vorgelegen habe.

Unter den fünf Angeklagten ist auch ein Mitglied der paramilitärischen Guardia Civil und ein Angehöriger des Militärs. Beide erhalten weiter 75 Prozent ihres Lohns, obwohl sie vom Dienst suspendiert sind. Darin sehen viele einen Grund für das milde Urteil. Alfonso Jesús Cabezuelo und Antonio Manuel Guerrero können zudem erst aus ihren Militäreinheiten rausgeworfen werden, wenn ein Urteil gegen sie rechtskräftig wird. Die beiden Soldaten sind solange nicht im normalen Gefängnis in Pamplona untergebracht, sondern in einem Militärgefängnis bei Madrid.

Die Richter an dem Regionalgericht in Pamplona sahen den Tatbestand der Vergewaltigung nicht gegeben. Im Urteil heißt es, dass »weder Schläge noch Drohungen« nachgewiesen werden konnten. Der Richter Ricardo González war sogar für einen Freispruch, wurde aber von seinen Kollegen überstimmt. Das Urteil ist in sich sehr widersprüchlich. Die Richter stellen fest, dass die Frau, die zu Oral-, Vaginal- und Analverkehr gezwungen worden ist, von »fünf Männern umzingelt« war und »eingeklemmt gegen eine Wand dem Willen der Angeschuldigten unterworfen« wurde. Die Videos zeigten »Schreie und Schmerz« und, dass das Opfer »verängstigt dem Willen der Angeschuldigten unterworfen war«.

Die spanische Zentralregierung kommt durch die Vorgänge massiv unter Druck und kündigt nun Reformen an. Es müsse überlegt werden, ob man die Definition für Vergewaltigung im Strafgesetzbuch ändern müsse, sagte die Verteidigungsministerin und Generalsekretärin der postfaschistischen Volkspartei (PP) Maria Dolores de Cospedal, die direkte Chefin der beiden Militärangehörigen. Ihr kommt die Strafe »gering« vor, erklärte sie.

Dass es tatsächlich zu solchen Änderungen kommen kann, liegt allerdings eher daran, dass die PP keine eigene Mehrheit mehr hat und alle übrigen Parteien sie selbst gegen ihren Willen beschließen könnten. In der Regel sitzen die Konservativen Fragen der Ausweitung von Frauenrechten und Gleichstellung aus. So hatte sich sogar Cospedal zuletzt gegen den Frauenstreik am 8. März gestellt, bei dem auch gegen sexuelle Gewalt protestiert wurde. Erst angesichts des massiven Erfolgs und der starken Mobilisierung schwenkten ihre Partei und die mit ihr regierende rechts-neoliberale Ciudadanos (Bürger) um.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.