Die Union sieht keinen Reformbedarf
Beim Arbeitslosengeld II gibt es in dieser Legislatur wohl kaum Verbesserungen
Jahrelang verteidigten führende SPD-Genossen ihre Agenda 2010 gegen jegliche Kritik. Auch Hubertus Heil gehörte in seiner Zeit als Generalsekretär von 2005 bis 2009 zu den hartnäckigsten Verteidigern der Arbeitsmarktreformen. Angesichts des scheinbar unaufhaltsamen Niedergangs seiner Partei geht der heutige Bundesarbeitsminister vorsichtig auf Distanz. »Ich will, dass wir in 15 Jahren kein Hartz IV mehr brauchen«, betonte er in der Talkshow von Anne Will. Doch konkrete Vorschläge bleibt der Minister schuldig. Sein Parteikollege, Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller, ist da schon einen Schritt weiter und fordert ein »Solidarisches Grundeinkommen«. Juso-Chef Kevin Kühnert geht der Vorschlag nicht weit genug. »Die Debatte darf nicht beim Grundeinkommen stehenbleiben«, sagte Kühnert kürzlich bei einer Diskussionsrunde mit Müller in Berlin. »Wir haben Politik gemacht gegen große Teile der Bevölkerung«, sagte er mit Blick auf die Hartz-IV-Gesetze. »Da ist etwas grundsätzlich neu zu verabreden.« Die Diskussion in der SPD ist also voll entbrannt. Oder handelt es sich hier um eine Scheindebatte?
Denn Michael Müller will keinesfalls mit Hartz IV und der dahinter stehenden Logik brechen. Und auch Hubertus Heil ist wohl falsch verstanden worden. Unterstellte man ihm doch, er wolle Hartz IV grundsätzlich reformieren. Dabei will er nicht einmal über die viel zu niedrigen Regelsätze reden. Bislang stellte er allenfalls kleine Verbesserungen in Aussicht. Am Fordern und Fördern mit seinem Sanktionsregime will Heil nicht rütteln.
Ohnehin steht und fällt alles mit den Koalitionspartnern von der Union. Weder CDU noch CSU haben bislang erkennen lassen, dass sie hier Reformbedarf sehen. Im Gegenteil: CSU-Chef Horst Seehofer kanzelte die Hartz-IV-Debatte der SPD im Gespräch mit dem »Spiegel« als »Phantomdiskussion« ab. »Hartz IV war eine richtige Reform, und ich kann nur davor warnen, das zu ändern«, so Seehofer. Aus der CDU kommen derweil schrille Forderungen. So will Christian Gräff, der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Berliner Union (MIT), den unter 50-Jährigen Hartz IV komplett streichen. »Es ist bei der derzeitigen Situation am Arbeitsmarkt nicht einzusehen, dass Menschen, die 25 oder auch 45 Jahre alt sind, zu Hause sitzen und Hartz IV beanspruchen können«, erklärte Gräff gegenüber der »Berliner Morgenpost«. CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist bekanntlich der Ansicht, dass man von Hartz IV ganz gut leben kann. Mit so einem Koalitionspartner ist eine Hartz-Reform im Sinne der Betroffenen nicht zu machen.
Zumal das Thema für die SPD in den Regierungsverhandlungen mit der Union offensichtlich keine Priorität hatte. Im Koalitionsvertrag ist von einer Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze oder gar einer Reform des Systems keine Rede.
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