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Trump verstehen
Über Motive und Leitlinien der Außenpolitik des US-Präsidenten
Wer Donald Trumps Außenpolitik verstehen will, darf nicht den Druck übersehen, unter dem er aktuell steht. Wegen seiner Sex-Affären, wegen Russland-Sonderermittler Mueller, wegen der FBI-Ermittlungen gegen seinen Anwalt Michael Cohen, wegen peinlicher Enthüllungsbücher, zuletzt von Ex-FBI-Direktor James Comey. Dies alles zu einer Zeit, da die Außenpolitik den Präsidenten fordert. Insofern ist Trump, der im Juni 72 Jahre wird, nicht zu beneiden. Aber er wäre nicht Trump, führte er den Zampano nie lustvoller als in Bedrängnis auf. Zu besichtigen beim Besuch von Emmanuel Macron, beim Meeting mit Angela Merkel oder nach der Ankündigung von Nordkoreas Machthaber Kim zu einer Art Maueröffnung in Korea.
Dabei zeigt auch die Außenpolitik, welche Antriebskräfte ihn steuern. Zwei vor allem sind es: seine Wählerbasis und seine kosmische Ichbezogenheit. Die Beachtung der eigenen Wählerbasis zeichnet jeden guten Politiker aus. Das Aufsehenerregende des Akteurs ergibt sich aus einem Ego, das Angeberei, Rüpelei und Verlogenheit kess und konstant als Mittel der Politik einsetzt. Das macht die abstoßende Faszination des blonden Gesamtkunstwerks aus. Sie ist inzwischen so gut belegt, dass hier mehr die Frage interessieren soll, was den Präsidenten außenpolitisch motiviert.
Donald Trump hat den Slogan »America first« (Amerika zuerst) nicht geprägt, ihm aber neue Prominenz beschert. Er sieht darin den Weg, um seinen Zweck zu erreichen, den er im Wahlkampf auf die Formel brachte - »Make America Great Again« (USA wieder stark machen).
»America first« bezeichnet ursprünglich die Linie, die eine US-Außenpolitik ohne Beteiligung an äußeren Konflikten und Kriegen befürwortete. Dies trug dazu bei, dass die USA in beiden Weltkriegen erst in deren Verlauf Kriegspartei wurden. Der Slogan war ein Konzept, hinter dem sich zu verschiedenen Zeiten sowohl vernünftige Akteure versammelten, die vor militärischen Abenteuern der USA im Ausland warnten, als auch nationalistische und rassistische Akteure, die unter der Flagge von »America first« das Land aus dem Kampf gegen Nazis und dem von ihnen angefachten Weltkrieg heraushalten wollten.
Präsident Woodrow Wilson benutzte das Motto 1915 als erster. Einerseits, damit sein Land nicht aktiv mit Truppen in den Ersten Weltkrieg eingriff. Andererseits, um zum Beispiel eingewanderte und eingebürgerte Personen zu erfassen und abzusondern, weil sie sich - im Krieg - vermeintlich nicht patriotisch genug verhielten. Am 6. April 1917, dem Tag des Eintritts der USA in den Weltkrieg, unterzeichnete Wilson eine Ermächtigung, jeden als illoyal eingestuften Ausländer oder unpatriotischen Amerikaner ohne Gerichtsprozess einzusperren.
In den 1930er Jahren warben Sympathisanten mit dem janusköpfigen Slogan für die Nazis, weil sie wehrhafte Antikommunisten und somit in Amerikas Interesse seien. Vor und im Zweiten Weltkrieg agitierte das America First Committee als größte Organisation gegen den Kriegseintritt der USA, eine Kampagne, die erst mit dem Terrorangriff des faschistischen Japan am 7. Dezember 1941 auf Pearl Harbor zusammenbrach.
In jüngeren Tagen benutzten nationalistische Rechte wie der Präsidentschaftsbewerber Pat Buchanan und Rassisten wie der Große Hexenmeister des Ku-Klux-Kan, David Duke, dieselbe Formel für ihre Forderung nach nicht-interventionistischer Außenpolitik. ron
Knapp anderthalb Jahre im Amt, zeigt sich ein festes Muster: »America first«. Der Slogan selbst ist nicht Trumps Erfindung. Er knüpft an eine amerikanische Tradition an und meinte zunächst Verzicht auf imperialen Ehrgeiz (siehe Infobox). Von Trump wird er als Absage an die nach dem Krieg entstandene internationale Ordnung interpretiert. In ihr haben sich die USA seiner Ansicht nach übernommen, von ihren Verbündeten übervorteilen und schwächen lassen. Umlenken tue not, damit »Amerika wieder groß wird«. Für die britischen Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman ist dieses »Streben nach Wiederherstellung der nationalen ›Größe‹ der Vereinigten Staaten der Schlüssel zu Trumps Denken«, wie sie in ihrem Buch »Wir hätten gewarnt sein können« urteilen, einem der kleinsten, aber besten Bücher zum Phänomen T.
Im Kern seiner Revolte gegen den Status quo stehen für Trump militärische Macht zur Schaffung von »Respekt« und die Wiederbelebung der US-Wirtschaft. Letzteres macht für ihn eine Revision der Handelsbedingungen dringlich. Daher sein Auftreten gegen die Welthandelsorganisation und diverse Handelsabkommen, durch die die USA Trump zufolge sowohl von ihren Gegnern als auch ihren Alliierten ausgenutzt wurden. Im Hoffen auf wenigstens kurzzeitige wirtschaftliche Vorteile daher sein Drohen mit Strafzöllen und seine Forderungen an China und die EU. Auffällig, dass er besorgter über Chinas Aufstieg ist als über »den wirtschaftlich stagnierenden ehemaligen Rivalen Russland«, wie der Politikwissenschaftler Erich Weede anmerkt.
Respekt, Wirtschaftsstärke und Macht bilden den Dreiklang, den es bei Trump schon vor seiner Politkarriere gab. Von Ende 1980 datiert seine früheste belegbare Äußerung zur Außenpolitik. Im NBC-Interview beschrieb Trump seine Philosophie damit, dass Leben Kampf bedeute - persönlich wie in größerem Rahmen. Die Welt sei anarchisch, Stärke lebenswichtig. Seine Respekt-Melodie stimmt er bis heute an. Dabei stellen Nahbeobachter, zuletzt James Comey in seinem Buch »Größer als das Amt«, fest, dass Trumps Erwartung an Respekt stets wie beim Mafia-»Paten« klingt.
Trumps Respekt-Betonung schließt das Setzen auf militärische Macht nach außen und die Erwartung blinder Gefolgschaft nach innen ein. Bei Comeys Dinner mit dem Präsidenten etwa habe Trump gedrängt, »ein auf Patronage beruhendes Verhältnis zu etablieren … wie ein Mafiaboss«. Dieses Führungsverständnis, das auf das Recht des Stärkeren statt die Stärke des Rechts hinausläuft, erklärt einen Gutteil des Respekts, den er Autokraten wie dem türkischen Staatschef Erdoğan oder Russlands Präsident Putin zollt, wobei es auch hier Frühbeispiele gibt: Während er 1990 Michail Gorbatschow, damals Staatschef der Sowjetunion, schmähte, seine Landsleute nicht »mit genügend harter Hand« anzufassen, sagte er zum Massaker von Chinas Führern 1989 auf dem Tiananmen-Platz, deren Durchgreifen sei »bösartig« gewesen. »Aber sie haben es mit Stärke erledigt« und die »Macht der Stärke« bewiesen.
Die nationalistisch aufgeladene Respekt-Philosophie hat dem Kandidaten im Verein mit der Lage des Landes jene Wähler gebracht, die bei Laune zu halten Trump heute genau im Auge behält. Das beeinflusst auch seine Außenpolitik. Siehe den Macron-Besuch. Der Franzose hat dem Präsidenten keineswegs bloß geschmeichelt, vielmehr mit Eckpunkten seiner Außenpolitik abgerechnet: Bleib im Atomabkommen mit Iran! Führ keinen Handelskrieg! Denk an Klimaschutz! Und Trump? Er ließ keine Bereitschaft zu Zugeständnissen erkennen. Macrons Mahnung, mit Iran im Gespräch zu bleiben, fand Trump interessant - mehr nicht. Vor seinem Rückflug sagte der Gast, er gehe davon aus, dass der Amerikaner den Atom-Deal mit Teheran platzen lassen werde, »aus innenpolitischen Gründen«. Das war bei Lichte ein Affront Richtung Gastgeber. Die Bemerkung zeigt, Trump hat keine guten Argumente gegen das Atomabkommen, er will nur seine Wählerbasis befriedigen.
Doch was heißt schon »nur«! Die Basis ist seine Lebensversicherung. Dass Trump den Bund mit Lügen schmiedete, ist Fakt. Aber Tatsache ist auch, dass er ins Weiße Haus kam, weil er zumindest oberflächlich an sozialökonomische Ungleichheit und Frustration bei vielen Wählern andockte. Es ist zum Beispiel Tatsache, dass die unteren 90 Prozent der Bevölkerung 2012 ein geringeres Realeinkommen hatten als im Jahr 1967.
Etwas Neues kommt nach 16 Monaten Amtszeit hinzu: Der Hochstapler will noch mehr auf Angriff schalten. Trump hat bisher rund 25 Leute aus seinem Umfeld verloren oder entlassen, vorerst letzter - sein Leibarzt. Die Präsidentschaft ist in eine neue Phase eingetreten, geprägt davon, dass Personen weg sind, die dem Präsidenten mitunter Paroli boten. Mit den Neuen, darunter Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo, umgibt sich Trump mit Leuten ganz auf der America-First-Linie. Manche sehen darin eine Flucht nach vorn, andere den Hochstapler, der seine Lehrzeit im Weißen Haus für beendet hält. Er meint jetzt zu wissen, wie Präsident geht und dass er’s allein kann. Seiner Arbeit als Präsident, ließ er eben wissen, gebe er eine »Eins Plus«. Schon davor hatte er seine Fans in Pittsburgh auf den Slogan für die Wahl 2020 eingestimmt: »Keep America Great« (»Lasst Amerika großartig bleiben«). Das heutige Motto »Make America Great Again« habe er ja verwirklicht.
Was die aufgeblasenen Backen außenpolitisch bedeuten, ist im Einzelnen schwer vorherzusagen. Konfrontativer, affektgeladener und riskanter dürfte es werden. Insider betonen, dass Trumps mangelndes Wissen über internationale Fragen keineswegs zum Einflussgewinn für Berufsdiplomaten führen muss. Grund ist wieder das Naturell des Präsidenten. Er weiß wenig über die Welt, aber er weiß, was er will. Schon dieser Zusammenhang ist heikel. Dass Trump darin kein Problem sieht, macht es nicht besser.
Verschärft wird es durch eine weitere Besonderheit des Mannes. Simms/Laderman schreiben: »Seine Vorliebe dafür, zu jeder Tages- und Nachtzeit spontane Tweets zu versenden, stört den interministeriellen Prozess, den präsidiale Verlautbarungen normalerweise durchlaufen, und droht Krisen hervorzurufen. Die Welt schwebt in der Gefahr, dass der amerikanische Präsident durch Provokateure zu einer übereilten Reaktion veranlasst wird oder, schlimmer noch, sein Twitterkonto von einer ausländischen Macht gehackt und für die Verbreitung falscher Botschaften genutzt wird.« Angesichts von Trumps ernsten Wutbewältigungsproblemen bestehe ganz allgemein die Gefahr, »dass ein cleverer Gegenspieler ihn, indem er ihn gezielt zur Weißglut bringt, zu einem Ausbruch provoziert und die größte Macht auf der Welt entweder zur Lachnummer macht oder eine Konfrontation auslöst«.
Nicht dass Trump darüber besorgt wäre. Der frühere Chefstratege Steve Bannon ist einer der Geschassten, doch die von ihm entworfene Formel, Liberale und Linke »so gegen sich aufzubringen, dass sich die Basis doppelt freut«, dieses Konzept genießt Trump geradezu körperlich - das zeigen etwa seine verbalen Marschflugkörper, die er vor Monaten Richtung Kim schoss. Politik ist für den Paten nicht unbedingt die Kunst des Kompromisses, sondern die Kunst des Konflikts. Das liebt seine Basis, das fürchtet die Welt. Beide zu Recht.
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