Glanz und Wumms

Auch Künstler und Clubs mobilisieren gegen die AfD

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 5 Min.

Es könnte einer der größten rechten Aufmärsche seit dem Ende des Nationalsozialismus werden: Für Sonntag mobilisiert die AfD unter dem Motto »Zukunft Deutschland« nach Berlin. Tausende wollen sich den Rechten entgegenstellen. Nicht nur die klassischen linken Gruppen rufen zum Gegenprotest auf.

Die Künstler

Ein Klotz aus Beton, Stahl und Glas, irgendwo in Kreuzberg. Durch sterile, anthrazitfarbene Gänge mit Lagerhallenflair geht es zu einer schweren Tür. Dahinter befindet sich die Probebühne eines kleinen Berliner Theaters. Heute finden hier jedoch keine Proben statt. In der Mitte des hell beleuchteten Raumes sitzen Theaterregisseur*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen in einem Stuhlkreis. Die Anwesenden haben ein Ziel: der AfD den Tag vermiesen.

Die Berliner Kulturszene will am Sonntag ein Zeichen gegen Rechts setzen. Angeführt wird sie von dem politisch-künstlerischen Kollektiv »Die Vielen« - ein Zusammenschluss von Theater-Ensembles, Musiker*innen und freien Künstler*innen. Mit einer »glänzenden Kundgebung und Demo« wollen sie auf die Straße gehen. Das Motto: Glanz gegen Nazis.

Auch Bernadette la Hengst will gegen die AfD demonstrieren. Seit vielen Jahren ist die Musikerin und Theaterregisseurin politisch aktiv. Um die Jahrtausendwende gründete sie mit Freund*innen in Hamburg das Schwabinggrad Ballett - ein »mobiles Agitprop-Einsatzkommando zwischen Theatergruppe und Freejazz-Band«. Sie meint: »Die Berliner Kulturszene ist sehr international und geprägt von Menschen, die ihr Leben irgendwie anders gestalten. Das wird durch rechte Kräfte massiv bedroht - dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen.«

Nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch wollen sich die Aktivist*innen »von der dumpfen AfD-Demo« abgrenzen. Am Sonntag soll es glänzen, glitzern, strahlen. »Wir wollen ein kreatives Gesamtbild auf die Straße tragen«, meint Bernadette, die selbst für ihre bunten und extravaganten Auftritte bekannt ist. »So wollen wir Menschen auf die Straße bringen, die sich nicht vom klassischen Antifa-Aufruf angesprochen fühlen.«

Und warum soll es glänzen? Berndette lacht und meint: »Glamourös gegen Nazis, das ist doch mal was anderes.« Außerdem: Die Fahnen sind eigentlich Rettungsdecken - und stehen somit symbolisch für das Schicksal von Menschen auf der Flucht.

Die Raver

Leere Tanzflächen in den Clubs? Eigentlich undenkbar an einem Sonntag in der Partymetropole Berlin. Nun könnte genau das passieren, denn: Die Partyszene will gegen die AfD auf die Straße gehen, um mit viel Bass und Dezibel den »Aufmarsch zu crashen«.

»Viele Clubs haben auf solch einen Anlass gewartet«, sagt Rosa Rave, eine der Organisator*innen. »Beim derzeitigen Rechtsruck sehen viele Leute in der Partyszene die Notwendigkeit, Stellung zu beziehen.« Mehr als 120 Clubs, Partykollektive und Festivals haben sich bisher hinter den Aufruf der Gruppe »Reclaim Club Culture« gestellt - und die Liste wird mit jedem Tag länger. »Wir kommen kaum mit den Anfragen hinterher«, meint Rave. Überrascht habe sie die Resonanz aber nicht. Berlins Clubkultur sei schon immer »progressiv, queer, feministisch, antirassistisch, inklusiv, bunt« - also alles »was die Nazis nicht sind und was sie hassen«.

Mit mehr als 20 Musikwagen wollen die Party-Aktivist*innen durch das Regierungsviertel raven. Die Organisator*innen rechnen mit mehr als 10 000 Teilnehmer*innen. Und die Clubs? Viele werden in den Morgenstunden Jingles spielen, die zur Teilnahme an der »antifaschistischen After-Hour« aufrufen.

Steht die Partyszene also geschlossen hinter dem Aufruf von »Reclaim Club Culture«? Nein, ausgerechnet das jüngst von der AfD angefeindete Berghain hat sich bisher nicht zu der Kampagne bekannt. Die Verantwortlichen des öffentlichkeitsscheuen Clubs seien im Urlaub, heißt es. Rave meint: »Bis Sonntag ist ja noch ein bisschen Zeit, vielleicht kommt da noch was.« Außerdem: Dass so viele Clubs und Partys die Kampagne unterstützen, sei bereits ein Riesenerfolg. »Wir werden am Sonntag bunt und laut ein Zeichen gegen die AfDisierung der Gesellschaft setzen.«

Die Geflüchteten

»Rassismus? Erlebe ich jeden Tag.« Samee Ullah ist 35 und lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Gegen Anfeindungen setzt er sich regelmäßig zur Wehr. Am Sonntag will er zusammen mit vielen anderen gegen die AfD auf die Straße gehen. Ullah ist bei »We’ll Come United Berlin« aktiv. Das antirassistische Netzwerk hat eine Kundgebung in der Nähe der rechten Demoroute angemeldet.

Samee Ullah kommt aus Pakistan. Dort arbeitete er als Flugzeugmechaniker, war politisch aktiv. Im Jahr 2013 musste er wegen seines Engagements fliehen. Über Umwege kam er nach Deutschland. Hier lebte er in Lagern, erfuhr Gewalt und Schikane. »Ich wurde zwangsweise wieder zum Aktivisten.«

Viele Menschen in den Erstaufnahmelagern hatten Angst, Missstände anzuklagen, Ullah nicht: »Ich wollte Verantwortung übernehmen und den anderen Geflüchteten zeigen, dass sie für ihre Rechte kämpfen müssen.«

Zusammen mit anderen Geflüchteten gründete Ullah im Jahr 2017 die antirassistische Initiative »We’ll Come United Berlin«. Im vergangenen September organisierte das Netzwerk eine Parade in der deutschen Hauptstadt. Tausende zogen für Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte durch die Straßen.

Nun geht es gegen die AfD. Denn: Die Rechtsaußen-Partei stelle »eine große Gefahr« für Geflüchtete dar. Jedoch soll am Sonntag nicht nur gegen die AfD demonstriert werden, sondern auch die deutsche Abschiebepolitik kritisiert werden. »Erst gestern wurden wieder Abschiebungen nach Afghanistan durchgeführt«, sagt Ullah. »Länder wie Afghanistan sind nicht sicher.«

Am Sonntag veranstaltet »We’ll Come United Berlin« eine »antirassistische Bühne« auf dem Bertolt-Brecht-Platz in Berlin-Mitte. Konzerte, Theateraufführungen und Reden sind geplant. In Hörweite der rechten Demo soll gegen Nazis und für gleiche Rechte demonstriert werden. Ullah meint: »Wir wollen zeigen, dass Berlin nicht nur eine globale, sondern auch eine solidarische Stadt ist - und dass unser Protest lauter ist als ihr Hass.«

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