Spenden gegen Lampenfieber
Die Universität der Künste präsentiert ihre studentischen Talente im »crescendo«-Festival
Vorspiele gehören seit jeher zum Stundenplan von Musikstudenten. Wer auf dem Podium sein Geld verdienen will, muss die Nervenstärke trainieren, den Umgang mit Lampenfieber und der steten Konkurrenz.
Das Auftreten in der Öffentlichkeit will daher so oft wie möglich geübt sein. Doch die meisten Hochschul-Vorspiele locken kein Publikum von außerhalb an. Ein Festival schafft da größere Aufmerksamkeit. Noch bis zum 9. Juni präsentiert die Universität der Künste (UdK) ihren musikalischen Nachwuchs daher beim »crescendo«-Festival. Klassik-Studenten beteiligen sich ebenso daran wie der Musical-Studiengang und Jazzmusiker.
Die Festival-Leiter, der Pianist Markus Groh und der Cellist Konstantin Heidrich, beide UdK-Professoren, betrachten »crescendo« als eine Art Geschenk an die Stadt: In die meisten Veranstaltungen kommt man kostenlos rein; im Konzertsaalfoyer stehen Spendenboxen.
Unter den vier Berliner Universitäten ist die UdK mit ihren rund 3500 Studenten die kleinste. Sie vereint vier Fakultäten unter ihrem Dach: Musik, Bildende und Darstellende Kunst sowie Gestaltung.
Die Ursprünge der größten und ältesten Kunsthochschule Europas gehen auf den Preußen-König Friedrich I. zurück, der 1696 die »Kurfürstliche Academie der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst« ins Leben rief. Daraus wurde die Preußische Akademie der Künste, in die im Laufe der Zeit diverse andere Bildungseinrichtungen integriert wurden.
Das führte dazu, dass die UdK heute aus 15 verschiedenen Gebäuden besteht, die sich überwiegend in Charlottenburg und Wilmersdorf befinden. »Die Zersplitterung in zahlreiche Fachbereiche und Standorte macht eine Identifikation mit der Universität schwierig«, meint der Pianist Markus Groh. »Unser Festival will daher auch Identität stiften.«
Der Fachbereich Musik residiert in der Bundesallee unweit des Kurfürstendamms; in einem riesigen Neorenaissance-Bau, der zwölf Hausnummern für sich beansprucht. Es handelt sich um das einstige Joachimsthal’sche Gymnasium, eine Elite-Schule für den Nachwuchs der Adligen. Die Schulaula mit ihren großen Bogenfenstern beherbergt heute den eleganten Joseph-Joachim-Konzertsaal mit 400 Sitzplätzen. Hier finden viele »crescendo«-Veranstaltungen statt.
»Crescendo« will nicht zuletzt an die Geschichte der UdK und ihrer Vorgänger-Institutionen erinnern. So läuft parallel zum Festival eine Ausstellung über die turbulente Zeit zwischen Erstem Weltkrieg und »Drittem Reich«. Damals eroberten moderne Klänge die Hochschule. Paul Hindemith, Kompositionsprofessor ab 1927, unterstützte diese Entwicklung, bis er zehn Jahre später von den Nationalsozialisten zum Rücktritt genötigt wurde.
Das Festival-Motto lautet »UnVollendet«; eine ganze Reihe nicht fertiggestellter Werke wird aufgeführt. »Diese Werke zeigen: Das Fragmentarische steht nicht unbedingt für ein Scheitern und das Aufgeben einer Idee«, meint Festivalleiter Markus Groh. »Oft bedeutet es sogar das Gegenteil, ein Betreten neuer Pfade.« Das trifft zum Beispiel auf Franz Schubert zu, dem »crescendo« die Eröffnung an diesem Wochenende widmet. Er hat das vorzeitige Abbrechen geradezu zu seinem Markenzeichen gemacht.
Zum »crescendo«-Finale wiederum erklingt das letzte große Oratorium von Georg Friedrich Händel, »The Triumph of Time and Truth«, mit über 150 Beteiligten. Solisten, Sing-Akademie und Domchor, Chor und Orchester der UdK vereinen sich zum triumphalen Ausklang, der dank der Tonmeister-Studenten live im Internet verfolgt werden kann.
Bis zum 9. Juni im Joseph-Joachim-Konzertsaal der UdK, Bundesallee 1-12, Wilmersdorf.
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