Bundesregierung fehlt der Überblick

Familienministerium hat keine Informationen über die Zahl der unbesetzten Azubi-Stellen in der Pflege

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wir wollen mehr Menschen für den Pflegeberuf begeistern«, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und weckt so die Hoffnung, er könne den akuten Pflegenotstand auf absehbare Zeit beheben. Doch wer zusätzliche Pflegerinnen und Pfleger verspricht, muss zumindest wissen, wie viele Ausbildungsplätze es in Deutschland derzeit gibt. Da überrascht es, dass die Bundesregierung keine Informationen darüber hat, wie viele Ausbildungsplätze in der Pflege überhaupt zur Verfügung stehen.

Das geht aus einer Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die »neues deutschland« vorliegt. So zählte man im Jahrgang 2016/17 bundesweit fast 140 000 Azubis in der Alten-, Kranken- und Kinderpflege. Doch auf die Frage des Bundestagsabgeordneten und LINKEN-Vorsitzenden Bernd Riexinger, wie viele Azubi-Stellen für Pflegeberufe in den letzten fünf Jahren unbesetzt geblieben sind, muss das Ministerium einräumen, dass »keine Daten zu unbesetzten Ausbildungsstellen in der Pflege« vorliegen.

Riexinger zeigte sich am Freitag verwundert über diese Wissenslücke: »Schließlich ist es eine der zentralen Fragen des Pflegenotstandes, wie mehr Menschen in Pflegeberufe kommen.« Es entstehe der Eindruck, so der LINKEN-Vorsitzende, »dass die Bundesregierung es lieber nicht so genau wissen will«.

Christine Vogler, Vize-Präsidentin des Deutschen Pflegerates, sprach am Freitag gegenüber »neues deutschland« von einem »großen Manko«, dass die Regierung hier keinen Überblick habe. »Es nutzt mir nichts zu wissen, wie viele Azubis eine Ausbildung begonnen haben. Ich muss stattdessen wissen, wie viele sie beenden«, so Vogler. Denn die Abbrecherquote in der Pflegeausbildung sei »sehr hoch«. Vogler schätzt sie auf 20 bis 40 Prozent. Dass zudem viele Pflegekräfte später den Beruf wechselten, weil die Belastungen zu groß seien, verschärfe die Lage zusätzlich.

»Wir steuern da auf eine Katastrophe zu«, warnt Vogler, die eine Gesundheits- und Krankenpflegeschule in Berlin-Wannsee leitet. Sie vermisst »ein Gesamtkonzept für die Zukunft der Pflege in Deutschland«. Wie schlecht die Planungen laufen, zeige auch der Umstand, »dass man zwar mehr Pflegekräfte ausbilden will, sich aber nicht darum kümmert, dass es auch genug Ausbilder gibt«. In der Krankenhauspflege etwa würden Ausbilder nicht einmal extra bezahlt. »Das läuft quasi ehrenamtlich«, kritisierte Vogler.

Wie »nd« auf Nachfrage beim Bundesfamilienministerium erfuhr, sind die Azubi-Zahlen hier rückläufig. Gab es in der Gesundheits- und Krankenpflege im Jahrgang 2012/13 noch 70 082 Auszubildende, waren es 2016/17 nur noch 64 258 - ein Minus von fast 6000! Zwar nahm die Zahl der Azubis in der Altenpflege im gleichen Zeitraum um 10 000 zu, doch angesichts der hohen Fluktuation fällt dieses Plus viel zu mager aus. Der Pflegerat warnt davor, dass bis 2030 rund 400 000 »professionell Pflegende fehlen werden«.

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