Das Leben ist eine Tango!

»Gefalle, du Schöne«: Das Theater unterm Dach zeigt ein Stück auf der Basis von Maxie Wanders Interviewprotokollen mit Frauen aus der DDR

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 4 Min.

Welch schöne Geschöpfe sie sind, wenn sie sich am Ende in Zeitlupe aufs Theaterpublikum zubewegen. Sie müssten völlig zerbeult aussehen, nach den vielen Selbstzweifeln, die zuvor in über 90 Minuten auf sie niederprasselten. Aber nein. Das geht niemanden etwas an. Die unsichtbare Rüstung übergestreift und lächeln. Wer einer von ihnen auf der Straße begegnet, mag denken: Oh là là, tolle Frau, voller Schwung. So unbeschwert. Die hat’s im Griff!

»Gefalle, du Schöne« heißt die neue Inszenierung von Amina Gusner, die sich dem Frausein hier und heute zuwendet. Ein selbstironisches, tragikomisches Werk, voller Ernst und doch zum Lachen. Stärke wächst eben aus der Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können.

Gusner ließ sich für das Stück von Maxie Wanders Buch »Guten Morgen, du Schöne« inspirieren. Als die Protokolle nach Tonband über den Alltag von Frauen in der DDR im Verlag Der Morgen 1977 erschienen und das Lebensgefühl vieler trafen, riss man einander das Buch geradezu aus den Händen. Zwischen 1979 und 2007 wurde es auch im westlichen Deutschland drei Mal aufgelegt.

Diesem Stück, das als Coproduktion mit dem Theater unterm Dach und einer Förderung der Heinz-und-Heide-Dürr-Stiftung entstand, sei auch Erfolg gegönnt. Es weiß, wie schon Maxie Wanders Buch, viel zu sagen.

Gusner verwendete Zitate daraus, auch Worte von Ingrid Lausund, Elfriede Jelinek und Virginia Woolf. Dass jemand wahrnimmt und künstlerisch verarbeitet, welchen Problemen sich Frauen stellen, zählte und zählt. Sicher, Männer bräuchten das auch. Das tut aber hier nichts zur Sache. Frau hat zu gefallen. Basta. Bin ich schön? Bin ich noch schön? Solche Fragen sind allem vorangestellt. Nein, bin ich nicht. Wie schleiche ich mich unauffällig durchs Leben? Ich möchte mir die Schwarten vom Körper schneiden - oder so. Die vielen unbarmherzigen Selbstzweifel, die Mankozählerei, die inneren und äußeren Konflikte, all das brachte die Autorin und Regisseurin als Rahmenhandlung in einen Tanzkurs mit acht Frauen. Inga Wolff, die im Theater unterm Dach bereits in Amina Gusners beeindruckendem Solostück »Kein Dach, kein Boden« ihr Können bewies, spielt die ungehaltene Tanzlehrerin, die - mit sich selbst hart umgehend - ihre Schülerinnen aus der Starre holen will. »Das Leben ist Tango!«, schreit sie los. Und Tango sei weiblich. »Die Tango! Der Artikel davor wurde irgendwann verfälscht!«

Was sich dann ereignet, geschieht in einer Kurspause, wie später klar wird. Hier kommt hoch, was Frauen widerfahren kann, womit sie gut fertig werden und womit wiederum nicht. Die Damen packen aus, teilen aus. Sie gehen mit sich ins Gericht und mit dem, was man von ihnen erwartet. Was schleppen sie an Konflikten der Eltern mit sich herum, was ist denn Liebe, ist Nichtverstehen weiblich, wie viel Konformität wird von ihnen denn noch verlangt, warum sucht eine Frau die Schuld bei sich, wenn der Mann geht, um mit einer Jüngeren zu leben? Warum muss sie sich vor den Kindern rechtfertigen? Warum muss sich eine Frau verteidigen, wenn sie kein Kind will?

Fragen über Fragen, Antworten auch. Sprachlich ist alles wohlüberlegt, gelungen spitzzüngig. Auch Hilflosigkeit und Schmerz sind da. Alles sperrt sich, weil eine Frau nicht weiß, wie sie damit umgehen soll, dass ihre Schwester von einem Mann überfallen wurde und sich nun mit Tabletten zudröhnt. Warum habe die bloß diese hochhackigen Schuhe getragen? Die seien doch extra dafür erfunden worden, dass man nicht weglaufen kann. Die ahnungslose Mutter bekommt das alles bröckchenweise serviert. Inga Wolff und Franziska Kleinert winden sich im Mutter-Tochter-Streit.

Schauspielerisch gut, das alles. Gusner holte sich die professionell agierenden Studentinnen Friederike Serr, Lisa Störr, Anna Stock, Erika Mosonyi, Marie Sophie Rautenberg, Kateryna Shatsyllo und Pia Noll vom Europäischen Theaterinstitut Berlin dazu. Ausstatterin Inken Gusner hüllte alle in schicke Kleider. So gefallen sie, die Schönen. Keineswegs flagrant sind die weiblichen Reize.

Nächste Vorstellungen: 21. und 22. Juni

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