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Verdammte Konterrevolution
Abseits! Die Feuilleton-WM-Kolumne
Mein Vorhaben, in der Öffentlichkeit keine WM-Spiele zu verfolgen, scheiterte schon am Donnerstag und Freitag grandios, da meine klugen Kumpels ihre Geburtstagsrunden in einschlägige Lokalitäten verlagert hatten. Florian bat unsereins ins »Baiz« und Heiko in die »Jägerklause«. So kann und will ich aber keine vier WM-Wochen durchziehen. Am Sonnabend jedenfalls der erste Schock in meiner Stube: Der Online-Wettanbieter »bwin« nahm das Angebot heraus, auf über 0,5 Tore wetten zu können, wie es in der Zockersprache so schön heißt, also darauf, dass mindestens ein Tor fällt.
Es gibt zwar, wenn man zum Anpfiff auf mindestens ein Tor für wen auch immer tippt, nicht wirklich einen Gewinn, aber Kleinvieh macht eben auch Mist, und das bekamen inzwischen wohl genügend Zocker mit. »bwin« handhabt es nun so wie die anderen Wettanbieter: Man muss in der ersten Spielhälfte gleich auf über 1,5 gehen, das Spiel nahezu lesen, bevor es richtig begonnen hat. Verdammte Konterrevolution.
Acht nd-Redakteurinnen und -Redakteure, ergänzt um vier Gastautorinnen und -autoren, kommentieren das Geschehen rund um die Fußball-WM in Russland aus feuilletonistischer Sicht. Warum 12 und nicht 11? Ganz einfach: Der linke Fußballfan weiß, dass es immer auf den 12. Mann (oder die 12. Frau) ankommt!
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Aber zum Auftakt der Partie zwischen Peru und Dänemark dachte ich, das läuft schon irgendwie mit den mindestens zwei Toren. 1:1, 2:0 oder 0:2, ist mir schnuppe. Die Quote betrug freundliche 1,75. Aber was war das für ein Spiel? Kaum eine Spur von dänischem Dynamit und peruanischer Pyroshow. Kurz vor der Pause verschoss ein vermeintlicher Torgarant einen Elfmeter, auch sonst prallten die Lateinamerikaner am europäischen Bollwerk vorhersehbar ab. Würden da jemals zwei Tore fallen?
Nach einer Stunde klingelte es zum 0:1, ich blieb optimistisch, aber auch um das schöne EU-Geld erleichtert, welches immerhin mit irgendwelchen Instinkttipps auf skandinavische Unterklassenspiele zurückgeholt werden konnte. Nicht nachdenken, das hilft. Aber was war da am Sonntag los, schon Stunden vor dem Sonnenaufgang? Zu nahezu jeder vollen Stunde wurden in meinem Kiez einige Böller gezündet, um ein Uhr, um zwei Uhr … Dafür muss ich Verständnis haben, das läuft heutzutage unter »Emotionen ausleben«. War wohl die Vorfreude auf das Spiel zwischen Mexiko und Deutschland. Ich habe mich nicht auf die Socken gemacht, um die Traumvertreiber zu befragen.
Am späten Nachmittag dagegen blieb es ruhig in meinem Viertel, kein Gejohle, kein Geknalle. Muss am Spiel gelegen haben, für das ich in allen Kumpeltipprunden diabolisch ein 1:1 vorhergesagt hatte, was bei »bwin« einem optimistischen Über-1,5-Tore-Tipp gleichkam. Tja, 0:1, so ist Fußball. Immerhin verliert Deutschland keine zwei Spiele hintereinander. Am Sonnabend geht es gegen Schweden, ein 4:4 scheint realistisch. Ich war 2012 im Berliner Olympiastadion. Nach einer knappen Stunde fiel das 4:0, wir riefen fröhlich-arrogant: »Langweilig!« In der 93. schockte der Ausgleichstreffer. So ähnlich läuft es 2018. Es bleibt spannend, für Stubenhocker und Eventhopper.
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