Großartig!

Für Jogi Löw

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Der irische Polarforscher Ernest Shackleton wollte vor rund 100 Jahren als erster die Antarktis durchqueren. Er scheiterte, sein Schiff wurde vom Packeis eingeschlossen und sank. Shackleton selbst aber kam wohlbehalten zusammen mit seiner ganzen Mannschaft nach gut zwei Jahren wieder in der Heimat an. Joachim Löw wollte als erster deutscher Bundestrainer einen WM-Titel im Männerfußball verteidigen. Er scheiterte …

Vor 20 Jahren gründete der Theater- und Filmregisseur Christoph Schlingensief die »Partei der Arbeitslosen und von der Gesellschaft Ausgegrenzten«. Ihr Wahlslogan lautete: »Scheitern als Chance!« Sie richtete sich an jene, denen von der neoliberalen Selbstoptimierungsideologie keine Chance gegeben wird. Den Slogan haben sich längst die Marketing- und PR-Propagandisten zu eigen gemacht, und er wird auf unzähligen Managerseminaren, Fortbildungen für sogenannte Führungskräfte, Staubsaugervertreterversammlungen etc. den Maschinisten der Verwurstungsindustrie eingetrichtert. Derzeit ist der Satz das inoffizielle Motto der Politik in Brüssel und der von Angela Merkel: »Wähle dich selbst!« - »Sei dir selbst der Nächste!« - »Wir schaffen das!«

In der Art des Scheiterns aber unterscheiden sich Shackleton, die Europäische Union, die deutsche, von CDU/CSU (noch) geführte Bundesregierung und Löw. Shackleton hatte vor seiner Expedition mit seinem Schiff, dem er in kluger Vorausahnung den Namen »Endurance« (»Ausdauer«!) gab, schon andere Antarktis-Missionen unternommen, die alle scheiterten. Er versuchte es immer und immer wieder - und wurde schließlich genau durch diese Hartnäckigkeit und seinen Trotz wider die permanente Niederlage bekannter als durch seine wissenschaftlichen Beiträge zur Antarktisforschung. Die EU und Merkel dagegen haben nichts Großes, Historisches zuwege gebracht; ihr Wirken war stets nur das Versprechen auf etwas Zukünftiges. Wenn sie stürzen, dann aus der Fallhöhe eines Schemels.

Joachim »Jogi« Löw aber ist ein Großer. Er kann von der Bühne abtreten mit der Gewissheit, Historisches geleistet zu haben. Vor vier Jahren wurde die von ihm trainierte deutsche Fußballnationalmannschaft als erstes europäisches Team auf dem amerikanischen Kontinent Weltmeister; das 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien war die höchste Halbfinal-Niederlage aller Zeiten - und jetzt ist er als erster deutscher Nationaltrainer mit seiner Mannschaft bei einem WM-Turnier bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Ein tiefer Fall - von großer Höhe! Großartig!

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.