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Werte CDU, wie hältst du es mit der AfD?
Robert D. Meyer über den Umgang mit der radikalen Rechten vor den 2019 anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland
Kennen Sie Martin Dulig? Außerhalb Sachsens dürfte der Name nur Politnerds mit einem SPD-Fetisch geläufig sein. Das ist ein Problem. Immerhin betraute der Bundesvorstand den sächsischen SPD-Chef im April mit der Mission, die Partei vor ihrem weiteren Niedergang im Osten zu bewahren. Eine heikle Aufgabe, allein weil 2019 in drei Ost-Ländern Parlamentswahlen anstehen, wobei die SPD laut Umfragen in Sachsen als auch Thüringen an der 10-Prozent-Marke kratzt und in Brandenburg immerhin noch 20 Prozent erreicht. Das Etikett Volkspartei trifft auf die Ost-SPD nicht mehr zu.
Kaum weniger dramatisch ist der Niedergang der CDU, wenn auch aus einer anderen Fallhöhe. Wie der SPD macht ihr die Konkurrenz von rechts zu schaffen. Wie sehr, zeigt das Beispiel Sachsen: Während die Partei im ohnehin konservativ-kleinbürgerlich geprägten Freistaat es noch in den 1990er Jahren gewohnt war, allein mit absoluter Mehrheit zu regieren, deuten Umfragen an, dass sie sich nach der Wahl 2019 nicht nur einen, sondern mindestens zwei Koalitionspartner suchen müsste, um an der Regierung zu bleiben und dabei an der AfD vorbeizukommen. Große Koalitionen als Notnagel? Auf Landesebene oft keine Option mehr. Der Erfolg der radikalen Rechten, er wird im Osten der Republik dazu führen, dass sich alle anderen Parteien darauf einstellen müssen, in völlig neuen Konstellationen zu denken. Einen Vorgeschmack auf die Zukunft lieferte 2016 Sachsen-Anhalt: Die »Kenia«-Koalition aus CDU, SPD und Grünen ist bis heute keine Liebesbeziehung, sondern eine sich aus pragmatischen Gründen ergebende Zweckgemeinschaft. Wie brüchig diese ist, zeigte sich mehrfach, etwa als Teile der Konservativen für eine von der AfD beantragte »Kommission zur Untersuchung des Linksextremismus« stimmten.
Werte CDU, wie hältst du es mit der AfD? Eine Frage, die die Christdemokraten äußerst widersprüchlich beantworten. Besonders in der zweiten Reihe ist das Abgrenzungsverhalten nach rechts weniger stark, unter anderem weil es ideologische Überschneidungen gibt und so mancher AfDler in seinem politischen Vorleben einst in der CDU seine Heimat sah. Zwar schließt etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bisher eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Doch was passiert, wenn sich in der Wahlnacht herausstellt, dass es nicht oder nur knapp für ein Bündnis mit der SPD und den Grünen (oder FDP) reicht? Gilt dann weiter die von CSU-Übervater Franz Josef Strauß einst ausgegebene und auch für die Union gültige Linie, dass es rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Konkurrenz geben dürfe?
Streng genommen wurde dieses Ziel bereits verfehlt. Die AfD hat sich eine feste Wählerbasis aufgebaut, aus dem parlamentarischen Betrieb wird sie sich nicht so schnell wieder vertreiben lassen. Die Frage ist, ob ihr die Union nun auch Platz auf einer Regierungsbank gibt. Wenn sie in dieser Frage schon nicht auf progressive Kräfte hört, dann auf die Konrad-Adenauer-Stiftung. Die stellte in einer Studie zum Umgang mit radikal rechten Parteien in Europa fest, dass es nichts bringt, deren Positionen zu übernehmen. Richtig sei hingegen, eine »gut dosierte, gezielte Auseinandersetzung« und Haltung zu zeigen. Leider geht die Analyse nicht auf die deutsche Situation ein.
Die Union sollte daraus lernen: Sie kann das Rennen mit der AfD um immer schärfere asylfeindliche und antieuropäische Forderungen nicht gewinnen. Stattdessen muss sie klar sagen: AfD? Mit dir nicht, selbst wenn das hieße, sich auf ein Bündnis mit der LINKEN einzulassen. Es ist nicht so, als wäre diese Frage auf Landesebene nicht schon durchgespielt worden. Für die gesellschaftliche Linke wäre solch eine (Not-)Lösung eine Zerreißprobe. Doch sie muss sich vor Augen führen: Schon der defensive Abwehrkampf gegen die radikale Rechte ist unter den derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen ein Kraftakt, noch dazu, da es der Linken an einem einenden Projekt fehlt. Die real existierende Gefahr wären österreichische Verhältnisse. Die kann kein Linker wollen.
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