Italien gegen alle
Innenminister Matteo Salvini will die italienischen Häfen für alle Schiffe schließen, die Geflüchtete an Bord haben
Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega) will sein Anti-Flüchtlingsprogramm noch steigern: Erst hatte er die Häfen für Schiffe von Hilfsorganisationen sperren lassen, schließlich auch für die internationalen Marineeinheiten des EuNavFor-Programms »Sophia«, soweit ihre Boote Geflüchtete an Bord führten. Auslöser für diese Order war das Anlanden des irischen »Samuel Beckett«, das 106 Flüchtlinge nach Messina gebracht hatte. Doch der Sperrbefehl betraf auch das italienische Küstenwachschiff »Diciotti«, das seit Tagen mit 67 Geflüchteten an Bord durchs Mittelmeer kreuzte. Der Hafenkommandant von Trapani (Sizilien) genehmigte die Einfahrt, der Innenminister und Lega-Chef Salvini blockte ab. Erst eine direkte Intervention des Staatspräsidenten Sergio Mattarella ermöglichte das Anlanden des Schiffes.
Salvini wollte - wenn überhaupt - die geflüchteten Menschen nur in Handschellen von Bord der »Diciotti« führen lassen. Hintergrund war ein Streit, der sich zuvor auf dem Versorgungsschiff »Vos Thalassa« zugetragen hatte. Die Migranten, die von dem Versorger von einer Ölplattform übernommen worden waren, begehrten auf, als man sie zur libyschen Küsten zurückbringen wollte. Der Kapitän der »Vos Thalassa« rief daraufhin den Küstenschutz zur Hilfe, der die 67 Flüchtlinge übernahm. Nun wird lediglich gegen zwei wegen Nötigung ermittelt, eine Anschuldigung wegen Meuterei und Schiffsentführung wurde fallen gelassen. Lega-Chef Salvini wollte dagegen intervenieren, stieß jedoch auf Ablehnung des Justizministers Alfonso Bonafede (M5S). Die Entscheidung der Staatsanwälte und Richter in ihrer Unabhängigkeit seien zu respektieren, so Bonafede. Auch der stellvertretende Ministerpräsident von der Sternebewegung, Luigi Di Maio, forderte Salvini auf, die Entscheidung des Staatspräsidenten zu respektieren. Es sei jetzt die Zeit der Realität und nicht mehr der Wahlkampfpropaganda, watschte Di Maio seinen Amtskollegen ab. Schärfere Töne kommen von Seiten der Opposition. Der neue Pd-Chef Maurizio Martina forderte Salvini wegen Inkompetenz zum Rücktritt auf.
Einig hingegen sieht sich der Rechtspopulist Matteo Salvini mit seinen Amtskollegen aus Deutschland und Österreich. Auf einem Dreiertreffen mit Horst Seehofer und Herbert Kickl betonten die drei Innenressortchefs den Willen, ihre Landesgrenzen weiter abschotten zu wollen. »Wir werden aus der Kooperation der Willigen eine der Tätigen machen«, so Wiens Minister Kickl. Bundesinnenminister Seehofer sagte Salvini ausdrücklich Solidarität bei der Sicherung der Außengrenzen zu. Sollte sich die EU nicht auf einen gemeinsamen Plan einigen können, werde man in diesem Dreierbund agieren, so die Politiker.
In Italien ist die Stimmung über die aktuelle Regierungspolitik geteilt: Viele Künstler und Intellektuelle solidarisieren sich mit der Entscheidung Mattarellas und stehen auch hinter den Aktivitäten des Anti-Mafia-Priesters Don Ciotti. Er zeigte sich mit einer »Rote-Hemden-Aktion« solidarisch mit Geflüchteten: Mütter hatten ihre Kinder für die Flucht übers Meer mit roten T-Shirts oder Hemden bekleidet. Es finden sich jedoch durchaus auch Befürworter von Salvinis Position der Abschottung. Die Lega-Partei ist seit Monaten im Aufwärtstrend.
Die strikte Blockadepolitik des rechten Innenministers hat ebenfalls zu tragischen Vorfällen im Mittelmeer geführt: Im vergangenen Monat ertranken bei dem Versuch das Mittelmeer zu überqueren und in Italien an Land zu kommen mehr als 600 Menschen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.