Die Linie als Träger eines Bildgeschehens

Grafik der litauischen Künstlerin Jurate Stauskaite in Lohmen

  • Gert Claußnitzer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Apotheke in Lohmen (Sächsische Schweiz) hat schon öfter in ihrem Konferenzraum bemerkenswerte Kunstausstellungen gezeigt. Wir erinnern an den Ungarn Ernö Kunt und auch an den Bulgaren Wassil Sachariew. Derzeit erleben wir hier die litauische Künstlerin Jurate Stauskaite (1971 in Kaunas geboren). Es handelt sich um eine Auswahl aus ihrem grafischen Werk, Radierungen und Linolschnitte. Damit hat sie Erfolge in den baltischen Republiken und in Moskau erzielt. In Deutschland hingegen ist sie noch weitgehend unbekannt. Es war der belorussische Grafiker Boris Saborow aus Minsk, der den Verlag der Kunst in Dresden auf Stauskaite hinwies. Man hatte sich einen Illustrationsauftrag erhofft. Er kam leider nicht mehr zustande. Zurückgeblieben sind jedoch Radierungen und Linolschnitte, ein erstaunliches grafisches Konvolut, aus dem nunmehr für die Ausstellung in Lohmen ausgewählt wurde.

Jurate Stauskaite erweist sich hier als eine überragende Künstlerin, ja, ihr Schaffen wird in Lohmen geradezu in ein »grelles Scheinwerferlicht« gerückt. Man erinnert sich vielleicht an den litauischen Maler Čiurlionis, den der Verlag der Kunst in einer umfangreichen Monografie gewürdigt hatte, eine Schlüsselfigur der europäischen Kunstgeschichte. Nunmehr erleben wir in Lohmen eine litauische Künstlerin aus einer jüngeren Generation, eine Grafikerin, die das Zeichnen und Radieren als ein bevorzugtes Ausdrucksmittel nutzt. Ihre Arbeiten sind der Beweis für die niemals nachlassende Faszination der Künstlerin vor den architektonischen Gegebenheiten ihrer Heimat Litauen, insbesondere in der Hauptstadt Vilnius. Was sie in figurativ klarer Form - die Linie ist für sie Träger des konkreten Bildgeschehens - zur Gestaltung bringt, hat sehr viel mit ihrer persönlichen Geschichte zu tun, ihrem Leben in Vilnius und ihrer Tätigkeit am Theater dort, für das sie Bühnenbilder und Illustrationen schuf, wie beispielsweise zu den Opern von Mozart. Diese beinahe minimalistischen Zeichnungen scheinen fast den Raum zu säubern, Stoff und Motiv zugunsten einer Wiederherstellung der Welt zu eliminieren. Solche Zeichnungen und Radierungen sind geradezu Dementis des malerischen Raums. Doch jetzt entdeckt man bei ihr auch eine gewisse Affinität zur Abstraktion als substanzielle Größe.

Man kann die Arbeiten von Jurate Stauskaite wohl auch autobiografisch deuten. Sie ist fasziniert von dem Leben in Vilnius, von wahrhaftigen Begegnungen mit den dortigen Daseinsformen. Und dann unternimmt sie eine Seereise, gestaltet ihre Eindrücke auf dem Atlantik. Immer präsentiert sie dabei ihre ganz private Welt. Da ist sie vielfach angeregt von Werken Edvard Munchs, den sie verehrt. Ähnlich ihm möchte sie vielleicht das ganze Private veranschaulichen, dionysisch gewissermaßen, bestimmt und begründet von einer rauschhaften Erfahrung des großen Gesamtlebens.

Konferenzraum der Bastei-Apotheke in Lohmen (Sächsische Schweiz), bis 31. Juli.

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