Zukunft von »Sophia« ungewiss

EU-Marinemission steht zur Disposition

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die libysche und die maltesische Küstenwache haben am Wochenende erneut Dutzende Migranten in Seenot aus dem Mittelmeer gerettet. Die Schiffe der italienischen Küstenwache blieben dagegen in den Häfen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Transportministeriums in Rom erfuhr. Unklar blieb am Sonntag, wie es mit der EU-Marinemission »Sophia« weitergeht. Mit ihrer Drohung, italienische Häfen für Schiffe der Operation vor der libyschen Küste zu sperren, hatte die Regierung in Rom eine sofortige Überprüfung der Mission erzwungen. In einer nächtlichen Rettungsaktion brachte der maltesische Küstenschutz 19 Migranten rund 50 Seemeilen südlich von Malta in Sicherheit. Das aus Libyen kommende Boot sei gekentert, kurz nachdem die Migranten mit Schwimmwesten versorgt worden seien, teilten die maltesischen Streitkräfte am Sonntag mit. Aus Kreisen in Rom war am Sonntag von weiteren 120 Migranten die Rede, die an Bord eines Schlauchboots 35 Meilen von der libyschen Küste entfernt von der Küstenwache des Landes gerettet worden sein sollen. Bereits am Samstag seien 59 Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone - ebenfalls von den Libyern - gerettet worden. Sie sollten nach Malta gebracht werden.

Die Seenotrettung durch private Helfer und EU-Schiffe in den internationalen Gewässern nahe der libyschen Küste ist dagegen weitgehend zum Erliegen gekommen. Die neue populistische Regierung in Rom hatte mehrfach Schiffe mit geretteten Bootsflüchtlingen blockiert und Hilfsorganisationen die Einfahrt in Häfen verwehrt.

Medienberichten zufolge wollen sowohl die Helfer von Proactiva Open Arms als auch von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen demnächst in die Rettungszone zurückkehren. Das Rettungsschiff »Aquarius« liegt derzeit in Marseille, von wo es Ende des Monats aufbrechen soll, wie die Nachrichtenagentur Ansa einen Freiwilligen von SOS Méditerranée zitierte.

Das drastische Vorgehen der Italiener bei der Seenotrettung rief am Wochenende empörte Reaktionen hervor. Papst Franziskus rief die internationale Gemeinschaft in einem eindringlichen Appell dazu auf, weitere Flüchtlingstragödien im Mittelmeer zu verhindern. Auch in der deutschen Politik wurden angesichts der unklaren Perspektive für die EU-Mission »Sophia« Forderungen nach einer raschen Einigung lauter. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte der »Bild am Sonntag«: »Unsere Humanität droht im Mittelmeer zu ertrinken.« Das Mittelmeer sei inzwischen zu einem »Meer des Todes« verkommen. Auch der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sprach von einem »Tiefpunkt der Menschlichkeit«. Es sei ausdrücklich Teil des Auftrags der EU-Mission, auch Menschenleben zu retten. »Offensichtlich zählt für die italienische Regierung nur noch der Beifall beim heimischen Publikum, nicht mehr Recht und Menschlichkeit«, sagte Brok den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Eine große Mehrheit der Deutschen hält es einer Umfrage zufolge aber für richtig, dass private Hilfsorganisationen Flüchtlinge im Mittelmeer retten. 75 Prozent äußerten sich in einer Emnid-Erhebung für die »Bild am Sonntag« entsprechend - 21 Prozent halten das Einschreiten für falsch. Den Vorwurf, die Seenotretter unterstützten das Geschäft der Schlepper, hält eine Mehrheit (56 Prozent) für unberechtigt. AFP/nd

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