»Camping River« in Rom geräumt

Bürgermeisterin Raggi geht gegen Sinti und Roma vor - Familien droht Obdachlosigkeit

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Die gewaltsame Räumung des Lagers »Camping River« in Rom, in dem Angehörige der Roma- und Sintiminderheit gelebt haben, schlägt jetzt sogar europaweit Wellen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Stadtverwaltung der italienischen Hauptstadt aufgefordert, die Auflösung erst einmal bis Freitag zu stoppen und sofort mitzuteilen, wie man gedenkt, die knapp 600 Menschen, die dort jahrelang gelebt haben, nun unterzubringen.

Die Räumung begann vor einem Monat. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi von der 5 Sterne-Bewegung gab den Familien, die seit Jahren auf dem ehemaligen Campingplatz im Norden der Stadt leben, 48 Stunden Zeit, um das Gelände zu verlassen. Eine alternative Wohnlösung wurde nur für die »besonders Hilfsbedürftigen« angeboten. Konkret heißt das, dass Mütter mit Neugeborenen eine provisorische Unterbringung bekommen sollten, nicht aber die Männer und die älteren Kinder. Für die stehen 800 Euro monatlich (für 2 Jahre) als Mietzuschuss bereit. Der Haken dabei ist: Das Geld wird erst gezahlt, wenn die jeweilige Familie einen Mietvertrag vorlegen kann. Aber in Rom gibt es nur sehr wenige bezahlbare Mietwohnungen. Zudem weigert sich die übergroße Mehrheit der Vermieter an Angehörige der Roma- und Sintiminderheit zu vermieten. Bisher haben nur drei Familien diesen Mietzuschuss beantragt.

Die zweite »Lösung« der Stadtverwaltung ist die »freiwillige Rückführung« der Familien in ihre Heimatländer - einige haben die bulgarische oder rumänische Staatsangehörigkeit. Allerdings gibt es bisher kein Abkommen mit den beiden Balkanstaaten. Das schreckt die Stadtverwaltung der italienischen Hauptstadt allerdings nicht ab: Sie drehte dem Campingplatz erst einmal den Strom und dann auch noch das Wasser ab.

Trotzdem weigert sich die große Mehrheit der Bewohner des »Camping River«, das Lager zu verlassen. Sie mussten mit ansehen, wie ihr gesamtes Hab und Gut zerstört wird und sogar die Container abgerissen werden, in denen sie gelebt hatten. Dabei ist es den Polizisten offensichtlich vollkommen egal, dass sie so städtisches Eigentum zerstören, da die rudimentären Wohneinheiten vor etwa zehn Jahren von der Stadtverwaltung selbst errichtet wurden, um auf dem Gelände des ehemaligen Campingplatzes ein »Vorzeigelager« zu errichten. »Das ist unmenschlich und widerspricht jeglichem Respekt vor den Personen«, erklärte Monsignore Enrico Feroci, Leiter der Caritas von Rom. »Die Kinder mussten mit ansehen, wie ihre Häuser zerstört wurden und wenn es keine Roma gewesen wären, hätte man sofort Psychologen und Ärzte hinzugezogen«.

Die Räumung des Stellplatzes gehört zu einem großangelegten und vor allem groß angekündigten Plan der Stadtverwaltung, um das »Roma-Problem« in Rom ein für alle Mal zu lösen. Zu einem »Problem« werden etwa 4500 Menschen gemacht, die auf neun »anerkannten Stellplätzen« (der »River« gehört dazu) und anderen »tolerierten« Einrichtungen leben. Vor zehn Jahren waren es laut einer Schätzung des Roten Kreuzes etwa 3000 mehr. Die Vorbehalte der Bevölkerung gegen die Minderheit werden regelrecht geschürt.

Die rechtspopulistische Lega, die jetzt zusammen mit der 5 Sterne-Bewegung die Nationalregierung stellt, hat schon von Beginn an die Minderheit im Visier: Matteo Salvini, heute Innenminister, lief während der letzten Wahlkampagne mit der Abbildung eines großen Bulldozers auf dem Pullover herum, um auszudrücken, dass er alle Stellplätze dem Erdboden gleich machen wird. Mit ihm zusammen hat die Bürgermeisterin von Rom ihren »Roma Plan« ausgearbeitet. Wie es aussieht, wird dieser »Plan« auch umgesetzt werden - allen Aufforderungen des Europäischen Gerichtshofes, den Protesten und einem Appell zum Trotz, den 90 Vereine und Personen in den letzten Wochen gegen die Räumung unterzeichnet haben.

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