• Berlin
  • Protest gegen NPD-Sommerfest

Sommer ohne Nazis

Die NPD hat am Wochenende ihr Sommerfest gefeiert - Linke hielten dagegen

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 4 Min.

Die weiß-rot-schwarze Fahne der NPD weht über der Tür des zweistöckigen gelben Hauses in Köpenick. Vor dem Gartentor, welches mit Stacheldraht gesäumt ist und von zwei Kameras ins Visier genommen wird, steht ein grimmig guckender Mann im roten T-Shirt. Einige Personen kommen zu ihm und werden von ihm durch das Tor gebracht. Er wirkt wie ein Türsteher. Ist er vermutlich auch.

Wenige Meter weiter stehen rund acht weitere Personen, teilweise mit den selben T-Shirts, einige aber auch im Hemd. Manche von ihnen haben schwarz-weiß-rote Fahnen dabei. Andere haben ein Banner über ein Baustellengitter entrollt mit der Aufschrift: »Schluss mit staatlich finanziertem Linksextremismus!« Ein interessanter Tagesbeginn: Hinter dem Haus mit der eintönigen Farbgebung, welches die NPD als Parteizentrale nutzt, soll an diesem Tag ihr alljährliches Sommerfest stattfinden.

Antifaschisten aus der Umgebung wollten die Anhänger der rechtsextremen Partei nicht ungestört feiern lassen. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz (BDT) Treptow-Köpenick organisierte gleich mehrere Aktionen im Rahmen eines selbst ernannten »antifaschistischen Sommertages«.

Um elf Uhr ging es zunächst los mit einer Kundgebung auf dem Mandrellaplatz, nur wenige Meter von der NPD-Parteizentrale entfernt. Eine Stunde später sollte das Sommerfest der Neonazis beginnen. Diese reagierten jedoch prompt auf den antifaschistischen Besuch und meldeten spontan eine Gegenkundgebung auf der gegenüberliegenden Straßenseite an. Rund acht Faschisten hielten sich dort durchgehend auf und wurden von den ungefähr 40 Antifaschisten mit Musik beschallt. In Redebeiträgen wurden sie auch über den reaktionären Gehalt ihrer Ideologie informiert - für die Neonazis selber wohl nichts Neues, einige Umstehende oder Passanten blieben allerdings auf dem Heimweg vom Einkauf kurz stehen. Eine ältere Frau nickte zustimmend.

Dass das Haus für faschistische Agitation benutzt wird, sollte die Kiezbewohner nicht überraschen. Es hat schon seit einiger Zeit einen Einfluss auf das Zusammenleben vor Ort: »Die NPD-Zentrale ist seit ihrem Bestehen Ursache dafür, dass die Gegend um den S-Bahnhof immer Anlaufpunkt für Neonazis ist«, berichtet Benedikt Hotz vom BDT. Die Gegend um das sogenannte Carl-Arthur Bühring Haus sei ein berlinweiter Schwerpunkt der Szene. Schon seit Anfang der 2000er Jahre treffen sich hier regelmäßig Rechtsextreme.

Neben Propagandadelikten komme es allerdings leider auch immer wieder zu körperlichen Angriffen auf Andersdenkende, berichtet Hotz. »Besonders betroffen ist der nahe gelegene Jugendclub.« Die Jugendlichen seien sich der Zentrale immer bewusst. Sie fühlten sich bedroht.

Zivilgesellschaft und Politik hätten sich derweil zurückgezogen und nähmen weniger an Aktionen gegen die Neonazis teil. Hotz sieht die AfD als Ursache für diesen Rückzug. Die Rechtspopulisten stünden mittlerweile mehr im Fokus der Aktivitäten gegen Rechte. In den letzten Jahren hätte die Aufmerksamkeit für die NPD deswegen nachgelassen. »Das sieht man auch daran, dass unsere Kundgebung nicht besonders gut besucht ist.«

Trotzdem gäbe es immer wieder erfreuliche Initiativen von Anwohnern. »Das ist etwas ganz Schönes«, sagte Hotz. So kam es auch am Samstag: Eine Anwohnerin aus Schöneweide bemerkte in den letzten Wochen eine Zunahme von rassistischen und neonazistischen Stickern in ihrem Kiez. Im Rahmen des Aktionstages wurde im Anschluss an die Kundgebung deshalb ein sogenannter Putz-Spaziergang durch den Kiez gemacht und dabei gemeinsam die faschistische Propaganda entfernt.

Viele Anwohner hätten »keine Lust mehr darauf, mit dieser Nazipropaganda konfrontiert zu sein«, so Hotz. Solche Aktionen gibt es immer wieder und werden vom BDT unterstützt. Das Bündnis möchte eine Plattform dafür schaffen, mehr solcher Aktionen zu ermöglichen. »Dieser ganze Aktionstag ist aus verschiedenen Initiativen entstanden«, sagt Hotz.

Dafür braucht es aber vor allem eins: Vernetzung. Zum Abschluss des Tages kamen in den Räumlichkeiten des BDT verschiedene Akteure wie beispielsweise das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« zusammen. »Wir wollen versuchen die ganze Vielfalt der antirassistischen und antifaschistischen Initiativen zusammenzubringen«, heißt es da. Und das könnte auch notwendig sein, denn eins wird zum Beispiel in Treptow-Köpenick klar: Die NPD hat noch immer genug Kraft, um Angsträume aufzubauen.

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