Kampfmittel Bestechung

Ines Wallrodt über die fragwürdige gerichtliche Absegnung von Prämien für Streikbruch

Arbeitgeber dürfen Prämien ausloben, um Mitarbeiter von der Beteiligung an einem Streik abzuhalten. Solch eine Streikbruchprämie gehöre zur »Kampfmittelfreiheit«, befand das Bundesarbeitsgericht (BAG) in dieser Woche. Es ist nicht die erste Gerichtsentscheidung, die in dieser Frage zugunsten der Arbeitgeberseite ausfällt. Rechtlich und politisch umstritten bleibt dieser Angriff auf das Streikrecht dennoch, genauso wie Aussperrungen von Mitarbeitern als Mittel, die Kosten des Streiks für die Gewerkschaften zu erhöhen. Im Kern handelt es sich bei den Prämien um Bestechung: Arbeitgeber kaufen den Beschäftigten ihr Grundrecht ab, damit diese sich in ihrem Sinne verhalten. Sie hoffen damit, billig davonzukommen.

Mit Sonderzahlungen für Streikverzicht sollen Beschäftigte immer wieder geködert werden, ob wie vor Kurzem in einem Krankenhaus in Brandenburg, wo die Belegschaft für mehr Personal kämpft, bei einem privaten Nahverkehrsbetrieb oder im Einzelhandel. Im konkreten Fall ging es um Streiks der Gewerkschaft ver.di beim US-amerikanischen Spielwarenhändler Toys R Us in den Jahren 2015 und 2016. Das Unternehmen sollte zur Anerkennung regionaler Einzelhandelstarifverträge gezwungen werden. Vor Streikbeginn versprach Toys R Us allen Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligen und ihrer regulären Tätigkeit nachgehen, die Zahlung von 200 Euro pro Streiktag, in einem zweiten Aushang waren es 100 Euro. Eine saftige Summe für Verkäufer, die in Vollzeit gerade einmal um die 1500 Euro brutto im Monat verdienen. Aus Sicht der Richter jedoch nicht unangemessen viel, selbst wenn sie einräumen, dass diese Prämie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches übersteigt.

Nun kann man mit den Schultern zucken und sagen, sie müssten das Geld ja nicht nehmen. Pech für die Gewerkschaften, die offenbar nicht überzeugend genug waren, damit sich ihnen die Beschäftigen anschließen. Denn wer sich ködern lässt, teilt entweder die Ziele nicht oder vertraut zu wenig darauf, dass der Arbeitskampf Erfolg hat. Er nimmt daher lieber den Spatz in der Hand.

Diese Sichtweise blendet jedoch das gravierende Machtungleichgewicht aus, das gerade in jenen Betrieben herrscht, die zu solchen Waffen greifen. Denn attraktiv sind Sonderzahlungen von 100 oder 200 Euro ja vor allem für Menschen, die wenig verdienen. Prämien erschweren somit Arbeitskämpfe gerade dort, wo Verbesserungen besonders geboten wären. Die Arbeitgeber nutzen somit die von ihnen verursachte prekäre Lage der Beschäftigten doppelt aus. Erst werden sie mit Niedriglöhnen abgespeist und dann wird mit der Wurst gewunken. In einem großen gewerkschaftlich organisierten Metallbetrieb würden die Arbeiter den Managern wohl den Mittelfinger zeigen.

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