Früher war mehr Blockade

Robert D. Meyer über die Proteste gegen den Heß-Marsch

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Richtig ist: Dass die Nazis ihr Gedenken für Rudolf Heß nicht in Spandau abhalten konnten, ist ein Erfolg. Nicht einmal im Ansatz kamen die Rechten auch nur in die Nähe des Ortes, wo bis 1987 jenes Kriegsverbrechergefängnis stand, in dem Hitlers Stellvertreter bis zu seinem Suizid einsaß. Für die Anhänger des NS-Regimes wäre es das Größte gewesen, hier ihr geschichtsrevisionistisches Weltbild zu feiern.

Und doch bleibt ein Beigeschmack: Über 700 Nazis sind marschiert, viele Kilometer. Nicht durch den westlichsten Bezirk, sondern durch die Innenstadt: Weil die Rechten ihren Rückzug aus Spandau bereits in ihre Planungen eingepreist hatten, stand eine Alternativroute durch Friedrichshain und Lichtenberg bereit. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Plan nicht erst am Sonnabend reifte, diese Route zu nutzen. Repräsentabel war die Strecke entlang der Landsberger Allee allemal. Zumal die doppelspurigen, breiten Straßen es der Polizei leicht machten, Nazis und Gegenproteste strikt zu trennen.

Blockaden? Entlang dieser Route nur unter der Beteiligung Tausender möglich. Doch die waren nicht nur durch den plötzlichen Ortswechsel verwirrt und brauchten daher lange, sich neu zu organisieren. Es waren schlicht zu wenige. Von den »nur« 2500 Antifaschisten in Spandau machten sich längst nicht alle auf den langen Weg in die Innenstadt.

Was bleibt, ist die Frage, ob Blockaden gegen Menschenhass derzeit noch funktionieren, sich überhaupt genug Menschen dafür mobilisieren lassen? Es ist ja nicht der erste Rückschlag in den letzten Monaten. Bundesweit gesehen liegen die letzten großen Erfolge antifaschistischer Proteste mit diesem Konzept ebenfalls lange zurück. In Dresden gelang es ab 2010, Europas damals größten Naziaufmarsch über mehrere Jahre hinweg durch Blockaden so oft zu be- und verhindern, bis die Rechten aufgaben. Dafür brauchte es einen Konsens in der Gesellschaft, den Rechten nicht die Straße zu überlassen. In Berlin hat er dieses Mal gefehlt.

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