Bye-bye Jeepney?
Die Philippiner fürchten um ihre Kult-Kleinbusse
In London haben sie ihre Doppeldecker, in Bangkok ihre Tuk-Tuks, in Venedig ihre Wasserbusse, die Vaporetti. Und in Manila haben sie Jeepneys: wild bemalte Kleinbusse in grotesken Farben, in denen kein Mensch einen halbwegs bequemen Platz findet, mit Dieselmotoren, die Dreckschleudern sind. Trotzdem sind die umgebauten Militärjeeps aus dem Straßenbild der philippinischen Hauptstadt nicht wegzudenken. Glaubte man bisher. Bis die Regierung von Präsident Rodrigo Duterte auf die Idee kam, alle Jeepneys, die älter als 15 Jahre sind, aus dem Verkehr zu ziehen. Künftig sollen Elektrobusse durch die Stadt rollen oder zumindest Busse, die sie weniger verpesten. Viele fürchten, dass das für das Kultauto der Philippinen, eine Art Nationalsymbol, der Anfang vom Ende ist.
Dabei ist die Umrüstung gewiss ein kluger Gedanke - auch wenn sich keiner der Illusion hingibt, dass Manilas Verkehrsprobleme damit auch nur irgendwie gelöst werden könnten. Die Stadt mit über zwölf Millionen Bewohnern ist eine dieser Megacitys, in denen sich phasenweise alles staut. Als Ausländer hält man es in der tropischen Hitze dann kaum aus. Trotzdem fährt mit der U-Bahn nur, wer unbedingt muss.
Die Jeepneys sind auch nach Jahrzehnten ein sehr beliebtes Beförderungsmittel - und ein billiges dazu. Neun Peso kostet die Fahrt - 14 Euro-Cent. Die Dinger kamen mit den Amerikanern in die Stadt. Die ersten Modelle wurden aus Willys-Jeeps gebaut, die die US-Soldaten nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr mit nach Hause nehmen wollten.
Die Idee dazu hatte Leonardo Sarao, ein Kfz-Mechaniker. Er zog ein Metalldach darüber, baute hinten eine Tür zum Ein- und Aussteigen und davor zwei Bänke mit Vinyl-Bezug, auf denen die Passagiere seither Gesicht zu Gesicht (und Knie zu Knie) sitzen, oft genug aufs Engste beieinander. Daran hat sich in all den Jahrzehnten nichts geändert.
Aktuell sind auf den Philippinen mehr als 240 000 Jeepneys angemeldet, davon über 70 000 in Manila. Noch mal 100 000 Kleinbusse, schätzt man, sind ohne offizielle Erlaubnis unterwegs. Man nennt sie die »Könige der Straße« - wobei die Filipinos gern verschweigen, dass Jeepneys ziemlich oft zusammenbrechen. Als Fahrgast muss man dann schauen, wie man weiterkommt. Zu den üblichen Widrigkeiten gehört auch, dass geklaut wird. Vor allem beim Ein- und Aussteigen, was nicht so einfach ist, werden die Taschendiebe aktiv.
Romeo Cauilan ist trotzdem immer noch vernarrt in seinen Jeepney. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ernährt der 68-Jährige damit seine Familie. Er hat ihm auch einen Namen gegeben: Sammy, nach einem seiner vier Kinder. Grundsätzlich findet er das Regierungsprogramm okay. »Kein Zweifel, dass modernisiert werden muss. Aber ich kann mir keinen neuen Jeepney leisten. Ich werde meinen Sammy solange fahren, bis die mir befehlen, dass ich ihn verschrotten muss.«
Mit Sicherheit würde dann auch einiges an Humor verloren gehen. Abgesehen von der vielen bunten Farbe machen sich die Fahrer auch ein Vergnügen daraus, ihr Fortbewegungsmittel mit Sprüchen zu verzieren. Auf den katholischen Philippinen gehören dazu selbstverständlich alle möglichen Bibelzitate. Beliebt ist auch: »God knows Hudas not pay« (»Gott merkt, wer hier schwarzfährt«) oder »Basta driva, sweet lova« (»Guter Fahrer, süßer Liebhaber«). Dazu wird von Jesus über Maradona bis Duterte jedwede Prominenz draufgemalt.
Die Zeiten, wo beim größten Jeepney-Bauer Sarao Motors noch jeden Tag ein Auto fertig wurde, sind allerdings vorbei. Jetzt sind es pro Jahr nur noch etwa 40. Der Sohn des Firmengründers, Ed Sarao, sagt: »Wir brauchen 60 bis 90 Tage für ein Exemplar. Unsere Busse sind maßgeschneidert. Und so gemacht, dass sie halten.« Seit kurzem arbeitet er aber auch mit einem Elektroautounternehmen zusammen. Andere Zeiten halt.
Die neuen Modelle haben nicht nur ein verändertes Design. Die Fahrt soll auch bequemer und sicherer werden. Künftig soll es mehr als das übliche Dutzend Sitzplätze geben. Die Tür ist künftig an der Seite. Abgesehen von einem Überwachungsbildschirm, der über dem Fahrer hängt, sollen Jeepneys künftig drahtloses Internet und Klimaanlage haben. Und Lautsprecher - aber das haben viele jetzt schon, was die Fahrt durchaus noch anstrengender machen kann. Firmenchef Sarao verspricht bei aller Modernisierung aber auch: »Wir werden weiterhin die klassischen Jeepney bauen. Die Liebesgeschichte der Filipinos mit dem Jeepney wird nie zu Ende gehen. Das ist wie bei einer Harley-Davidson: Der Look ändert sich nicht.« Trotzdem gab es schon Protestfahrten von erbosten Jeepney-Besitzern. Viele fürchten, dass sie sich die neuen Busse nicht leisten können. Als sicher gilt, dass die Fahrten teurer werden.
Rogelio Castro - Besitzer eines 31 Jahre alten Modells - fasst die Meinung vieler zusammen: »Natürlich sind wir alle dafür, dass sich was ändert. Aber ich mag diesen neuen Stil nicht. Sehen jetzt aus wie diese flachnasigen Lastwagen.« Und dann grummelt der 58-Jährige noch hinterher: »Kann man Jeepney nennen. Aber philippinisch ist das nicht.« dpa/nd
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