Lehrkräfte ohne Staatsexamen
Bildungsrauschen
Um dem zunehmenden Lehrermangel etwas entgegenzusetzen, beschäftigen die Bundesländer sogenannte Seiten- und Quereinsteiger. Im Schuljahr 2017/18 wies Berlin mit 1230 neu eingestellten Quer-/Seiteneinsteigern die größte Quote auf; es folgten Sachsen mit 720 und Nordrhein-Westfalen mit 543. Im aktuellen Schuljahr waren in der Hauptstadt nur noch 1000 der rund 2700 neu eingestellten Lehrkräfte regulär ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen.
Quer- oder Seiteneinsteiger sind Lehrkräfte mit einem Master beziehungsweise Diplom in Mangelfächern, aber ohne erstes Staatsexamen. Die fehlende pädagogische Ausbildung erfolgt im Referendariat (Quereinsteiger) oder berufsbegleitend (Seiteneinsteiger). Während das Referendariat auf 18 bis 24 Monate angelegt ist, dauert die berufsbegleitende Ausbildung der Direkteinsteiger durchschnittlich zwei bis drei Jahre (heimarbeit.de). Je nach Bundesland variieren allerdings die Anforderungen wie auch die Bezeichnung der neuen Lehrkräfte. So spricht man in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nur von Seiteneinsteigern. Anwärter müssen für das Referendariat neben ihrer Qualifikation im Mangelfach eine einjährige Berufspraxis nachweisen. Nur vereinzelt können Interessenten direkt einsteigen.
Während sich die Situation an den Gymnasien entspannt, hier nur noch Physik und Informatik unterbesetzt sind, bleibt der Bedarf an den Berufsschulen hoch. Hessen lässt nur Absolventen mit einem Hochschulabschluss von mindestens 3,0 zu. Hier nennt man sie Quereinsteiger. Quereinsteiger heißen auch die Interessenten, die im Bereich der Metall- und Elektrotechnik mit einer fünfjährigen Berufserfahrung direkt einsteigen. Deren Nachqualifikation läuft über drei Jahre berufsbegleitend. Niedersachsen bietet den Einstieg sowohl über das Referendariat als auch direkt an, wobei letzterer nachrangig gehandhabt wird. Sachsen-Anhalt dagegen hat seine Seiteneinsteigerprogramme eingestellt. Es werden lediglich nach Bedarf einzelne Ausschreibungen in das Stellenportal gestellt (bildungsserver.de).
Für Thüringen gilt eine Sonderregelung. Neben dem Referendariat und dem Direkteinstieg können Interessenten, die über einen Fachschulabschluss, Meister oder eine gleichwertigen Ausbildung verfügen, als Fachlehrer für den fachpraktischen Unterricht an berufsbildenden Schulen arbeiten. Mittels einer »Nachqualifizierungsverordnung und Öffnung der Einstellungsrichtlinie« soll Seiteneinsteigern eine dauerhafte Anstellung ermöglicht werden (thüringen.de).
Im Saarland entstand das Projekt »Professionalisierung Fachfremd Unterrichtender« (ProFFunt) als Kooperation des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik, des Lehrstuhls für Mathematik und ihre Didaktik der Universität Saarland sowie des saarländischen Landesinstituts für Pädagogik und Medien. Inzwischen wird bereits der zweite Fortbildungsgang für den Unterricht der Klassen fünf und sechs durchgeführt. Idee ist, Lehrkräfte in »Planung, Gestaltung, Durchführung und Reflexion auf Grundlage ihres erworbenen Wissens eigener Unterrichtseinheiten« zu schulen (math.uni-sb.de, proffunt.dzlm.de). Lena Tietgen
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