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Anfeindungen nach dem Angriff
Inhaber von überfallenem jüdischem Restaurant in Chemnitz erhält Hassmails / Opposition rügt Informationskette
Die Attacken danach sind fast so übel wie der eigentliche Angriff. Hunderte Mails erhält Uwe Dziuballa, Inhaber des jüdischen Restaurants »Schalom« in Chemnitz, derzeit jeden Tag. Zwei Drittel der Schreiber, sagt er, wollten ihm Mut machen, nachdem sein Lokal am 27. August von Vermummten angegriffen wurde, die Steine warfen und antisemitische Parolen riefen. Die übrigen aber stellen ihn als Schwindler hin: Wie habe er den Überfall fotografieren können, wo das Restaurant doch montags Ruhetag habe?! Dziuballa ist empört: »Ich lüge nicht.«
Der Wirt hat kein Verständnis für die Steinwürfe, die er »grundsätzlich unzivilisiert« nennt, und die Beleidigungen danach; er wundert sich aber auch über das enorme mediale Interesse, das der Angriff - nicht der erste seit der Eröffnung im Jahr 2000 - erregt: Über 100 Journalisten suchten ihn nach dessen Bekanntwerden zu erreichen; als jetzt Sachsens SPD-Integrationsministerin Petra Köpping das »Schalom« besuchte, standen erneut ein Dutzend Medienvertreter vor der Tür. »Ich bin ja nicht zum Mond geflogen«, sagt Dziuballa, »ich bringe nur Leuten ihr Essen an den Tisch.«
Tatsächlich erregt nicht jede antisemitische Straftat derartiges öffentliches Aufsehen. Deren Zahl steigt an: Nora Goldenbogen, Vorsitzende des Landesverbandes jüdischer Gemeinden in Sachsen, bezifferte sie kürzlich in einer Landtagsanhörung auf 118 im Jahr 2017; im Jahr davor waren es 90. Was dem Überfall auf das »Schalom« besondere Brisanz verleiht, ist der Umstand, dass er an dem Tag stattfand, an dem als Reaktion auf den gewaltsamen Tod eines jungen Mannes zum zweiten Mal in Folge Rechtsextreme und Teile der Stadtbevölkerung gemeinsam demonstrierten. Darüber, was dabei geschah, gibt es Streit. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte in einer Regierungserklärung in der Woche darauf, es habe »kein Pogrom, keine Hetzjagd, keinen Mob« gegeben. Den Überfall auf das jüdische Restaurant erwähnte er nicht.
Das sorgt in der Landespolitik für viel Wirbel. Die Attacke »straft alle Lügen, die glauben machen wollen, es habe an diesem Tag keine Jagd auf Menschen gegeben«, sagt Rico Gebhardt, Chef der Linksfraktion. Er fragt, warum weder Polizeidirektion noch Landeskriminalamt oder Generalstaatsanwalt von sich aus über den Angriff informierten. Valentin Lippmann, Innenexperte der Grünen, erhebt den Vorwurf, dass der Vorfall »nicht in die Erzählung des Innenministers (Roland Wöller, CDU) passte und deshalb unter den Teppich gekehrt wurde«. Könne die Informationspolitik nicht plausibel erklärt werden, seien personelle Konsequenzen fällig. Gleiches fordert, nachdem zuletzt auch ein Einsatzvideo der Polizei die offizielle Darstellung der Regierung konterkarierte, die LINKE - entweder in der Polizeiführung oder beim Minister selbst.
Dziuballa kümmert sich um derlei tagespolitische Wirrnisse nicht. Dass er manchmal einen »inneren Zorn« hegt, hat andere Gründe, zu denen die Landespolitik indes auch beitrug. Als 1998 der Verein »Schalom« gegründet wurde, habe man »Verständnis für jüdisches Leben jenseits der Gedenkkultur« wecken wollen, aber bald gemerkt, dass anderes ebenso wichtig war: die Integration der aus der früheren Sowjetunion zugewanderten Juden. Man organisierte Sprachkurse für 250 Menschen und bat, als das Geld knapp wurde, das Land um Hilfe. Antwort: kein öffentliches Interesse. Als 2001 ein Projekt namens »Eine Erde, ein Leben« aufgelegt wurde, das Judentum, Christentum und Islam öffentlich darstellte, gab es wieder Zweifel an der Notwendigkeit. Erst Jahre später, sagt Dziuballa, »überschlägt man sich dann mit Förderprogrammen und Initiativen«.
Köpping kann an dem Punkt nur mit den Schultern zucken: Ihr Amt einer Integrationsministerin gibt es in Sachsen erst seit 2014. Im kommenden Jahr, sichert sie zu, wolle ihr Ressort Beratungsangebote zu Antisemitismus, nicht zuletzt an Schulen, verstärken. Projekte des »Schalom«-Vereins könnten Unterstützung aus dem Programm »Weltoffenes Sachsen« erhalten, sagt sie und versichert Dziuballa die »Solidarität« der sächsischen Regierung: Man werde Übergriffe wie auf sein Restaurant »unter keinen Umständen tolerieren«. Zur Informationspolitik des Kabinetts äußert sie sich nicht: Man müsse »die Untersuchungen abwarten«.
Dziuballa wünscht sich derweil vor allem, dass jene in der Gesellschaft gestärkt werden, die für ihre Vielfalt arbeiten. Die Verhältnisse in der Bundesrepublik seien nicht gefeit vor ihrer Unterhöhlung. Er weiß, wovon er redet: »Ich bin in der DDR geboren und in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien aufgewachsen. Beide gibt es nicht mehr.« Soll heißen: Auch die Demokratie in der BRD und Europa müsse »nicht auf ewig so bleiben«. Sie braucht deshalb Verteidiger - wie Dziuballa einer ist.
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