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Ostdeutsche kritisieren Kohleausstieg bis 2038

Kommissionsmitglieder irritiert über »Spiegel«-Bericht / Ostdeutsche Politiker drängen auf Strukturwandeldebatte

  • Lesedauer: 4 Min.

Cottbus. Der über einen Medienbericht angedeutete Kompromiss der Kohlekommission zu einem Zeitplan für den Braunkohle-Ausstieg hat in Ostdeutschland heftige Kritik hervorgerufen. Politiker, Braunkohle-Beschäftigte und selbst Mitglieder aus der Kohlekommission reagierten im Osten und darüber hinaus empört. Immer wieder hatte es aus den Braunkohleländern die Forderung an die Kohlekommission gegeben, zuerst an den Strukturwandel zu denken, bevor über einen Kohleausstieg nachgedacht wird.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte Aufklärung zur Arbeit der Kohlekommission. Das Gremium sei obsolet, wenn es Vorfestlegungen gebe, sagte der Regierungschef am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. »Die Arbeit der Kommission hat nur einen Sinn, wenn sie an Fakten orientiert ist und ergebnisoffen.«

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) lehnt derzeit eine Diskussion über konkrete Daten für den Kohleausstieg strikt ab. »Wir sind überhaupt nicht bereit, über Ausstiegsdaten zu reden, solange nicht klar ist, wie das Gesamtkonzept aussieht«, sagte Haseloff der dpa.

Beide Ministerpräsidenten reagierten auf einen »Spiegel«-Bericht, wonach sich in der von der Bundesregierung eingesetzten Kohlekommission eine Einigung beim Ausstieg aus der Kohleverstromung abzeichnet. Demnach sollen die letzten Kohlekraftwerke zwischen 2035
und 2038 geschlossen werden.

Eine entsprechende Kompromisslinie habe Bahn-Vorstand Ronald Pofalla, der Co-Vorsitzender der Kommission ist, nach einer Reihe von Gesprächen mit den anderen Mitgliedern der Kommission erarbeitet und diese im Bundesumweltministerium sowie im Kanzleramt vorgestellt, hieß es in dem Bericht weiter. Das Umweltministerium bestätigte am
Samstag, dass es Gespräche gegeben habe. Zu den Inhalten wollte sich eine Sprecherin aber nicht äußern.

Irritiert zeigte sich die Spremberger Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos) aus Südbrandenburg, die selbst Mitglied in der Kohlekommission ist. »Mir ist nicht bekannt, dass in der Kommission bereits über ein Ausstiegsdatum verhandelt wird«, sagte sie.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) sagte auf dpa-Anfrage zu dem Bericht: »Zum jetzigen Zeitpunkt entbehren Spekulationen über ein mögliches Ergebnis jeglicher Grundlage. Außerdem gilt die von der Bundesregierung vorgegebene Schrittfolge:
Zunächst muss es um die Maßnahmen und Rahmenbedingungen für die Strukturentwicklung in den Revieren gehen, bevor ein Ausstieg festgelegt wird.«

Die Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung« soll bis Jahresende eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten und Ideen für den Strukturwandel in den Kohle-Regionen erarbeiten. In der Lausitz in Sachsen und Brandenburg liegt das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands, das größte liegt im Rheinland. Auch in Mitteldeutschland wird Kohle gefördert.

Der Konzernbetriebsrat des Lausitzer Energieunternehmens Leag forderte Pofalla auf, das Gremium zu verlassen. In einem Statement hieß es am Samstag: »Herr Pofalla, verlassen Sie die Kommission!« Weiter teilte der Betriebsrat mit: »Während die Kommission noch
intensiv über Versorgungssicherheit, Strompreise und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strukturentwicklung diskutiert, redet er bereits über Jahreszahlen.« Damit gebe Pofalla all denen Recht, »die von Anfang an die Sorge hatten, dass die Kommission nur
eine Alibiveranstaltung für einen in Hinterzimmern ausgehandelten politischen Deal ist.«

Der brandenburgische CDU-Landeschef Ingo Senftleben kritisierte seinerseits: »Die Strukturentwicklung ist für die Familien in der Lausitz zu wichtig, um ständig mit neuen Nachrichten Verunsicherung zu stiften.« Alle Mitglieder und Partner der Kommission seien
gefordert, ausgewogene Vorschläge zu liefern. »Wir brauchen keine Debatten über Jahreszahlen, sondern ein vollständiges Zukunftspaket für die Lausitz. Dieses muss zuerst auf den Tisch, anschließend müssen die Menschen in der Lausitz darüber mit diskutieren können«,
sagte Senftleben.

Die Grünen zogen einen anderen Schluss: Der angedeutete Kohleausstiegs-Kompromiss würde in Brandenburg eine Erweiterung des Tagebaugebietes Welzow-Süd überflüssig machen. »Das wäre ein großer Erfolg für die Einwohner, die ihre Heimat nicht verlieren wollen«, sagte die Grünen-Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky. Zugleich sagte sie: »Dass mit diesem Kompromiss die Pariser Klimaziele eingehalten werden können, ist jedoch mehr als fraglich.«

Die sächsische Grünen-Fraktion im Dresdner Landtag sieht den in dem Bericht genannten Zeitrahmen 2035 bis 2038 als »sehr kritisch«. Der energie- und klimapolitische Sprecher der Fraktion, Gerd Lippold, sagte: »Ein dermaßen langer Auslaufbetrieb der letzten Blöcke hätte nur dann eine Chance, wenn jetzt sofort eine wirklich drastische Reduzierung der Braunkohleverstromung in die Tat umgesetzt würde.« dpa/nd

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