Lehren ja, Reformen nein

Martin Ling über den Globalen Süden zehn Jahre nach der Krise

»Mehr Menschen müssen künftig hungern, weil sich die Banker verspekuliert haben.« Prägnanter kann man die Folgen der Finanzkrise nach der Lehman-Brothers-Pleite vor zehn Jahren kaum auf den Punkt bringen, als es Dirk Messner, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, damals gemacht hat. Dass die Finanzkrise die Zahl der Hungernden 2009 zeitweise gar über die Milliardenschwelle katapultierte, war der statistisch bemerkenswerteste Nachweis der Folgen für den Globalen Süden. In die Millionen ging auch die Zahl der Beschäftigten, die ihre Jobs verloren, vor allem in den exportorientierten Sektoren von Textilindustrie bis Minen, die durch Kapitalflucht und Rohstoffpreisverfall stark in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Im Bewusstsein der Menschen im Globalen Süden ist der Beginn der Finanzkrise am 15. September 2008 weit weniger stark verankert als hierzulande, denn Krisen beträchtlichen Ausmaßes gibt es dort häufig, sei es die Tequila-Krise 1994/95, die Asienkrise 1997/98 oder die aufziehende Schwellenländerkrise 2018 von Argentinien bis zur Türkei.

Ausreichende Lehren im Sinne von substanziellen Regulierungen der Finanzmärkte sind global nicht gezogen werden, mehr als Flickschusterei ist nicht passiert. Eine Lehre für die Länder des Globalen Südens war, umso weniger Verflechtung in die internationalen Finanzströme, desto geringer die Krisenanfälligkeit. Doch auch im Globalen Süden wurde versäumt, neue Wege einzuschlagen und einen Strukturwandel zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell einzuleiten. Das ist angesichts geringer Handlungsspielräume kein Vorwurf, sondern ein Fakt, der teuer zu stehen kommen kann. Denn für den Globalen Süden gilt allemal: Nach der Krise ist vor der Krise.

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