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Russland kehrt zurück
Nationale Antidoping-Agentur wird von der WADA wieder als regelkonform eingestuft. Der Protest dagegen verpufft
Die Proteste von Dopingjägern und Sportlern waren nicht laut genug. Die Exekutive der Welt-Antidoping-Agentur WADA hat am Donnerstag den russischen Ableger RUSADA wieder als regelkonform eingestuft. Der endgültigen Rückkehr russischer Athleten in die Sportwelt steht somit kaum noch etwas im Wege.
Nach Bekanntwerden eines der größten Dopingskandale rund um Hunderte gedopte russische Sportlerinnen und Sportler war die am Betrugssystem beteiligte RUSADA im Jahr 2015 suspendiert worden. Dopingkontrollen in Russland wurden nur noch von ausländischen Agenturen durchgeführt, internationale Wettbewerbe durften nicht mehr nach Russland vergeben werden, russische Athleten durften bei vielen Wettkämpfen, darunter Olympischen und Paralympischen Spielen nur noch unter neutraler Flagge starten. All das dürfte bald vorbei sein.
Der RUSADA waren nach der Auswertung des McLaren-Reports 31 Kriterien für eine Rückkehr auferlegt worden, zum Beispiel der Rücktritt ihres Direktors, die Einstellung neuer Kontrolleure sowie die finanzielle Unabhängigkeit von der Regierung. Richard McLaren hatte Doping- und Vertuschungspraktiken rund um die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 bestätigt und zudem ein System aufgedeckt, in dem Sportler »aus nahezu allen Olympischen Sportarten« leistungssteigernde Mittel genutzt hatten. Vor der Enttarnung schützten sie dann das Sportministerium, die RUSADA und das Dopingkontrolllabor in Moskau.
Russland bestreitet seit Jahren die Ergebnisse des Berichts, vor allem die Behauptung, dass es sich um ein staatlich gelenktes Dopingsystem gehandelt habe. McLaren hat dafür auch nie eindeutige Beweise vorlegen können, jedoch durchaus sehr überzeugende Indizien: Dopinglisten und kompromittierende E-Mails. Sportfunktionäre und Politiker bis hinauf zu Staatspräsident Wladimir Putin bestehen darauf, dass lediglich Einzelpersonen das System ohne ihr Wissen implementiert hätten, und diese Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.
Des Weiteren wurde der Kronzeuge der WADA, der Moskauer Laborleiter Grigori Rodtschenkow, zum Drahtzieher erklärt und seine Glaubwürdigkeit angezweifelt. Dabei hatten unabhängige Experten im Auftrag der WADA und des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Studien all seine Behauptungen bestätigt, die sich auf die Methoden des Dopingbetrugs bezogen: das Aufbrechen von versiegelten Dopingproben, den Austausch mit gelagertem Eigenurin oder die Manipulationen mit Salz und Fremdurin.
Die öffentliche Anerkennung von McLarens Ergebnissen war eins von am Ende noch zwei unerfüllten Kriterien. Nach monatelangem Stillstand gaben sich ein Prüfungsausschuss der WADA und ihr Präsident Craig Reedie nun mit einem Kompromiss zufrieden, der offenbar von der WADA selbst auf die Bedürfnisse Russlands zugeschnitten worden war: Es reichte nun plötzlich, dass Sportminister Pawel Kolobkow nur noch den Bericht des IOC-Ermittlers Samuel Schmid akzeptierte, der eben nicht mehr von Staatsdoping sprach. Öffentlich hat Kolobkow noch gar nichts anerkannt. Er schrieb nur einen Brief an die WADA, der zuerst von der BBC veröffentlicht wurde, später dann auch von der WADA selbst.
Das letzte Kriterium ist der Zugang zum Moskauer Labor. Den hat Kolobkow bisher lediglich in Aussicht gestellt, jedoch dürften nur Proben reanalysiert werden, die verdächtige Anzeichen im Datensatz des Labors aufzeigten. Zudem müssten die russischen Ermittlungsbehörden dem noch zustimmen.
In den vergangenen Tagen hatten mehrere Antidoping-Agenturen, Politiker und viele Athletenvertreter kritisiert, dass die WADA ihre eigenen Regeln brechen würde. Diese Proteste kamen jedoch fast ausschließlich aus Westeuropa und Nordamerika.
Die Exekutive stimmte nun auf den Seychellen mit 9:2 für die der Wiederaufnahme der RUSADA. Überraschend kam das Votum nicht, immerhin wird fast die Hälfte der Sitze vom IOC gefüllt, das das russische NOK schon vor Monaten wieder in die olympische Familie aufgenommen hatte. Die beiden Gegenstimmen kamen offenbar von Vertretern aus Norwegen und Neuseeland.
WADA-Präsident Reedie versuchte, die Wogen zu glätten: »Diese Entscheidung gibt einen klaren Zeitplan vor, bis wann der WADA der Zugang zum Moskauer Labor gewährt werden muss. Wird der nicht eingehalten wird die Exekutive die RUSADA wieder als nicht regelkonform einstufen.«
Tatsächlich könnte das Labor noch zum Boomerang für die am Donnerstag jubelnden russischen Sportfunktionäre werden. Die WADA hat angeblich bereits eine Kopie des Datensatzes, der Tausende nicht gemeldete positive Fälle auflisten soll. Sie könnte also Fälschungen in der neuen Übertragung schnell erkennen. Und sollten wirklich all diese Proben noch einmal analysiert werden müssen, könnte es entweder das wahre Ausmaß des Dopingbetrugs offenbaren oder zumindest das wahre Ausmaß der Vernichtungsaktionen. Denn noch wissen nur die Russen, wie viele Proben noch im Kühlraum lagern.
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