Die Vorteile müssen die Nachteile überwiegen
Grundrissänderung
Das Schreiben der Hausverwaltung in der Hand, versuchte Theresa W. sich erst einmal vorzustellen, wie ihre Wohnung nach dem Umbau aussehen würde: Das Bad, bisher mit sieben Quadratmetern für sie völlig ausreichend, soll sich nun laut der Modernisierungsankündigung auf nunmehr 12 Quadratmeter vergrößern.
Für solch ein Luxusbad, in dem zusätzlich zur Badewanne auch eine Dusche vorgesehen ist, würden Mauern weggerissen, eine ihrer Abstellkammern ganz verschwinden und eine zweite um die Hälfte verkleinert werden. »Das ist keine Wohnwertverbesserung für mich, sondern eine Verschlechterung«, erklärt sie.
Wenn Modernisierungsmaßnahmen so weitreichend sind, dass ihre Durchführung den Charakter der Grundlegende Veränderung Mietsache grundlegend verändern würde, müssen sie nicht vom Mieter geduldet werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (siehe dazu den Beitrag auf dieser Seite).
Beträchtlicher Einschnitt in die Zweizimmerwohnung
Die ehemalige Buchhändlerin bewohnt eine Zweizimmerwohnung und hat in den Kammern all ihre Papiere und ihr Archiv untergebracht. Dafür sind extra Regale eingepasst worden. Nun müsste sie alles herausreißen und aufwendig umbauen lassen. »Wie wehre ich mich am besten dagegen«, fragte sie sich und wandte sich an den Berliner Mieterverein (BMV).
»Ob eine Grundrissveränderung abgelehnt werden kann oder hingenommen werden muss, ist von Fall zu Fall unterschiedlich«, erklärt dazu Marlies Lau, Rechtsberaterin beim BMV.
Ändere sich der Zuschnitt einer Wohnung nach einem Umbau grundsätzlich, fiele beispielsweise ein Zimmer ganz weg oder käme ein weiterer Raum dazu, könne das vom Mieter durchaus erfolgreich abgelehnt werden. Aber gerade bei einer Vergrößerung oder auch Verkleinerung von Küchen und Bädern ist ein Widerspruch nicht so einfach durchsetzbar.
So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Urteil vom 13. Februar 2008 (Az. VIII ZR 105/07), dass der Mieter einer Vierzimmerwohnung Modernisierungsmaßnahmen dulden müsse, bei denen die Toilette vom Bad getrennt werden sollte und dafür eine Speisekammer wegfiel. Die Begründung der Richter: Die Trennung von Bad und Toilette sei in einer Wohnung, die für mehrere Personen geeignet ist, von Vorteil und entspreche modernen Standards. Das gelte selbst dann, wenn dafür ein anderer Raum wegfalle und es weder Keller- noch Nebenräume gäbe.
Gegenargumente müssen überzeugen
Entscheidendes Kriterium jedoch sei, ob potenzielle Mieter, die für die jeweilige Wohnung in Betracht kommen, nach einer solchen Veränderung eher einziehen würden. Zugleich verwiesen die Richter am BGH aber auch darauf, dass bei Grundrissänderungen immer konkret entschieden werden müsse, unter »Würdigung des Zuschnitts der betroffenen Wohnung, der Wohnungsgröße und der Einzelheiten der geplanten Baumaßnahme«. Es sei immer zu prüfen, ob nicht doch die entstehenden Nachteile überwiegen.
»Damit das entschieden werden kann«, so Rechtsberaterin Marlies Lau, »sollten Mieter erst einmal genau für sich klären: Was ist bei dem Umbau für mich von Vorteil und was von Nachteil.« Und die Argumente gegen eine Grundrissänderung müssen dann auch überzeugend vorgebracht werden - vor allem, wenn der Streit mit dem Vermieter schließlich vor Gericht entschieden werden muss.
Im Fall von Theresa W. könnte das so sein, denn für sie steht viel auf dem Spiel: Fast 30 000 Euro sollen allein die Erweiterung und der Umbau des Bades kosten. Zusammen mit den Kosten für die anderen angekündigten Modernisierungsmaßnahmen kommt die Hausverwaltung auf einen Mietzuschlag von 636 Euro. Die Seniorin zahlt bisher 597 Euro nettokalt. Eine derartige Mieterhöhung auf mehr als das Doppelte des Bisherigen würde sie nicht verkraften.
Aus: MieterMagazin 7+8/2018
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