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Toilette? Nicht mehr als sieben Minuten
Warum haben die Menschen zu wenig Zeit? Ein Dokfilm auf Arte untersucht den modernen »Produktionswahnsinn«
Niemand hat heute mehr Zeit für irgendwas. Am Flughafen muss man sein Ticket selbst ausdrucken, und das, obwohl dafür eine Gebühr erhoben wird. Online-Banking schafft angeblich größere Freiheiten, doch vor allem spart es der Bank Personalkosten. Das gilt auch für das Buchen von Reisen im Internet, früher machte das jemand in einem Reisebüro. Und wer heute ein Bahnticket am Schalter kauft, der zahlt extra - aus Gründen der Abschreckung.
»Die Summe all dieser Minuten, in denen wir im Grunde umsonst arbeiten, ergeben am Ende eine Arbeitsstelle, die vernichtet wird - und die nächste könnte unsere eigene sein«, fasst die Dokumentarfilmmacherin Cosima Dannoritzer die Lage gegenüber dieser Zeitung zusammen. Ihr neuer Film heißt dann auch »Zeit ist Geld« und läuft am Dienstag auf Arte. Sie untersucht darin das Geschäft mit der fremden Zeit. Denn für sie »ist die Zeit im Kapitalismus zu einer Ressource mit einem hohen Wert geworden«.
Um diesen »Produktivitätswahnsinn« zu erklären, ist Dannoritzer rund um den Globus in sechs verschiedene Länder auf drei Kontinenten gereist. Sie traf Menschen, die dem empfundenen Zeitverlust Widerstand entgegensetzen. »Viele denken, sie verlören Zeit, etwa beim Gespräch mit einem Nachbarn oder mit Freunden«, sagt die Filmemacherin. Doch tatsächlich werde ihnen die Zeit von etwas anderem geraubt - vom ökonomischen Druck, Kosten zu optimieren. Deshalb fehle den Menschen heute vor allem für Politik und gesellschaftliches Engagement, glaubt Dannoritzer. Manche schliefen sogar kürzer, um noch mehr arbeiten zu können. »Mit meinem Film wollte ich dafür ein Bewusstsein schaffen. Jeder sollte zumindest die Möglichkeit einer Wahl erkennen können«.
Die Gründe für das heutige Zeitregime sucht die Filmemacherin in der beginnenden Industrialisierung. Dabei lässt sich erfahren, wie die Einteilung der Zeit schleichend zur internationalen Norm wurde. 1912 legte das Pariser Observatorium die »Universalzeit« für die ganze Welt fest.
Seitdem läuft den Lohnabhängigen die Zeit davon. In den USA bestimmte eine Firma in der Geflügelindustrie, das die Toilettenpausen der Arbeiter nicht länger sein dürfen als sieben Minuten pro Tag. In Japan leiden 40 Prozent der Angestellten an Burn-out; sie nehmen wenig oder gar keinen Urlaub, die Suizidrate steigt. Die Frage allerdings, was mit den Menschen passiert, wenn sie zu viel Zeit haben, weil sie arbeitslos geworden sind, behandelt der Film nicht.
Imposant ist die intensive Recherche, die Dannoritzer unternommen hat und die sie mit vielen, bestens ausgewählten Archivbildern abrundet. Der Film hat einen angenehmen Rhythmus, die Bilder und Interviews werden zusammengehalten von einer ruhig erzählenden Stimme, die mehr Fragen stellt als Wahrheiten behauptet. Musik wird nur eingesetzt, um die schönen metaphorischen Bilder zu unterlegen. Bei den Interviews hingegen wird der Zuschauer nicht gestört. Das ist auch wichtig, weil es eine Herausforderung ist, den Film in der Originalversion zu sehen - in spanischer, englischer, deutscher und japanischer Sprache gleichzeitig.
2010 erregte Dannoritzer mit ihrem Dokumentarfilm »Kaufen für die Müllhalde« internationale Aufmerksamkeit. In dem Film setzt sie sich mit der geplanten Obsoleszenz auseinander, also der absichtlich herbeigeführten verminderten Lebensdauer von Produkten. Auch das ist Zeitpolitik.
Arte, 2. Oktober, 21.45 Uhr
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