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Lohnmogelei bei BVG-Dienstleister

Reinigungsfirma im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe soll Tarifvertrag unterlaufen

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Kotze, Müll und tote Tiere: Die Bahnhöfe der U-Bahnlinie 8 zu reinigen ist kein Zuckerschlecken. Damit die Fährgäste, die täglich von Wittenau in Reinickendorf bis zur Hermannstraße in Neukölln in annehmbaren hygienischen Zuständen hin und her pendeln können, gibt es die Mitarbeiter der »Gebäude - und Verkehrsmittelreinigung GmbH & Co. KG« (GVR).

Der Reinigungsdienstleister mit Sitz in Niederschönhausen ist seit fünf Jahren im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für die Nord-Süd-Linie mit ihren 24 Stationen zuständig. Acht bis zwölf Mitarbeiter wischen, schrubben und saugen im Schichtbetrieb. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.

Bisher gab es über die Arbeit des Unternehmens keine Beschwerden. Doch jetzt erhebt die Gewerkschaft IG Bau schwere Vorwürfe gegen die Firma: »Die GVR unterläuft seit Jahren systematisch den für alle Reinigungsfirmen geltenden Tarifvertrag«, sagt der zuständige Gewerkschaftssekretär Jens Korsten.

Das Unternehmen halte seinen Beschäftigten seit Jahren die vorgeschriebenen Sonntags- und Nachtzuschläge vor, behauptet Korsten. Urlaubstage würden mit fadenscheinigen Begründungen gekürzt und das Krankengeld konsequent einbehalten.

»Kollegen, die diese Missstände im Betrieb kritisieren wollten, wurden abgemahnt, versetzt und eingeschüchtert«, sagt Gewerkschafter Korsten. Mitarbeiter würden von der Geschäftsführung bewusst verunsichert und falsch informiert. Die Gründung eines Betriebsrats soll blockiert worden sein.

Selbstverständlich hätte »nd« gerne auch die Meinung des beschuldigten Unternehmens zu den gewerkschaftlichen Vorwürfen erfahren. Auf eine schriftliche Anfrage zu den Vorwürfen erklärte die GVR: »Wir haben noch andere Sachen zu tun, unter anderen die Arbeitsplätze unserer vielen Mitarbeiter zu sichern, die nun in Gefahr sind.«

Laut Gewerkschaft gibt es seit Längerem Probleme bei dem Dienstleister: Ende 2017 hatten sich die ersten Mitarbeiter der Firma an die IG Bau gewandt. Daraufhin hatten Anwälte der Gewerkschaft Lohnabrechnungen, Einsatzpläne, Arbeitsverträge und andere Dokumente überprüft. »Bei acht Kollegen konnten wir Lohnforderungen für die letzten zwei Monate gültig machen«, erklärt Korsten. »Die Kollegen müssen das bekommen, was ihnen rechtlich zusteht.«

Mehr als ein halbes Dutzend große und mittelständische Unternehmen sind derzeit im Auftrag der BVG mit der Reinigung von Stationen beauftragt. Seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigen die Verkehrsbetriebe schon Reinigungspersonal von Subunternehmern. BVG-Pressesprecherin Petra Reetz sagt, dass alle Betriebe, die mit den Verkehrsbetrieben zusammen arbeiten, Mindestlohn zahlen müssen. »Unsere Partner sind zur Tariftreue verpflichtet«, sagt Reetz, »darauf achten wir genau«. Unregelmäßigkeiten habe man bei der GVR bis dato nicht festgestellt. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe man aber umgehend eine Stellungnahme seitens Geschäftsführung der Firma eingefordert. Die werde derzeit auch genau geprüft. Reetz macht klar: »Wer gegen das Recht verstößt, ist kein Geschäftspartner für die BVG.« Sollten sich die Anschuldigungen gegen die GVR bewahrheiten, werde man den Vertrag schnellstmöglich kündigen.

Der Berliner LINKEN-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser sieht die BVG und die Senatsverwaltung in der Verantwortung. »Die Verkehrsbetriebe als öffentlich-rechtliches Unternehmen müssen dafür sorgen, dass sich ihre Dienstleister an Recht und Gesetz halten.« Die Politik müsse diesbezüglich für den nötigen Druck sorgen. Meiser steht schon seit einiger Zeit mit der IG Bau und den Beschäftigten der GVR in Kontakt. »Ich habe den Kollegen meine Solidarität und meine Unterstützung ausgesprochen«, sagt der LINKEN-Politiker. Über den konkreten Fall hinaus gehe es ihm auch um mehr: »Die Gebäudereiniger, die im wahrsten Sinne des Wortes unseren Dreck wegmachen, müssen mehr wertgeschätzt und besser entlohnt werden.«

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