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  • Politthriller »Der Mordanschlag«

Ein unbeleuchtetes Kapitel

Der Zweiteiler »Der Mordanschlag« über das Attentat auf den Präsidenten der Treuhandanstalt Detlev Rohwedder

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 1. April 1991 wurde der Sozialdemokrat Detlev Rohwedder, erster Chef der Treuhand zur Privatisierung der DDR-Volkswirtschaft, von Scharfschützen in seinem Haus in Düsseldorf ermordet. In einem spannenden zweiteiligen Politthriller »Der Mordanschlag« entwirft Miguel Alexandre eine Theorie zu den Motiven der Drahtzieher, wobei er sich lose an den bekannten Fakten orientiert.

Die RAF bekannte sich zu dem Anschlag, die Täter sind jedoch bis heute unbekannt. Alexandre und Autor André Georgi erzählen eine mögliche Vorgeschichte, in deren Zentrum die RAF-Aussteigerin Sandra Wellmann (Petra Schmidt-Schaller) steht. Ihre einstigen Mitstreiter Bettina Pohlheim (Jenny Schily) und Klaus Gelfert (Christoph Bach) erpressen sie mit dem Wissen um den Verbleib des Vaters ihres Kindes, sich bei der Treuhand um einen Job zu bewerben. Schnell erringt Wellmann das Vertrauen ihres Chefs Georg Dahlmann (Ulrich Tukur), welcher der historischen Figur Rohwedders nachempfunden ist. Dahlmann entspricht nicht den Vorstellungen eines rücksichtslosen Arbeitsplatzvernichters, den die RAF in ihm sieht, sondern nimmt seinen Auftrag ernst, die erhaltenswerten Teile der DDR-Industrie zu bewahren. So klärt er den Skandal um die geplante Privatisierung eines Chemiewerks auf, das weit unter Wert an einen Käufer aus dem Westen des Landes gehen soll. Mit dieser Haltung macht er sich bei den Wirtschaftsbossen im Westen ebenso unbeliebt wie bei Seilschaften der Stasi, die ihre Millionen in Sicherheit bringen wollen und Betriebe ausplündern.

Alexandre packt mit seinem Politthriller ein von Historikern, Journalisten und Künstlern weitgehend unbeachtet gebliebenes Kapitel der Wiedervereinigung an. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) hatte sich im Sommer 2018 für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Treuhand-Aktivitäten in der Wendezeit ausgesprochen. »Viel zu oft wird versucht, einen Deckel auf bestimmte Themen unserer Geschichte zu setzen. Das ist falsch. Wir dürfen keine blinden Flecken dulden«, sagt auch Alexandre, der bereits in »Der Mann mit dem Fagott«, »Die Frau vom Checkpoint Charlie« und »Störtebeker« deutsche Geschichte zum Thema fürs Fernsehen machte.

Wobei er sich große künstlerische Freiheiten nimmt und verschiedene Ereignisse der jüngeren Vergangenheit für die spannende Handlung mischt. »Wir setzen darauf, dass das Publikum erkennt, welche Ereignisse und Menschen gemeint sind«, so Miguel Alexandre. »Andererseits mussten wir verdichten.« Die Terroristen Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams verschmolzen zur Figur Bettina. Sandra Wellmann legt Alexandre als eine Mischung aus Susanne Albrecht und Ulrike Meinhof an. »Solche Verdichtung erfordert Mut, sie bürdet mir enorme Verantwortung auf und ist nur mit Einverständnis der Angehörigen möglich. Die Familie Rohwedder kannte das Drehbruch vor dem Dreh und bat nur um kleine Änderungen, um ihre Privatsphäre zu schützen«, erzählt Alexandre.

Wer Dahlmann ermordete, lässt er offen. »Ich bevorzuge die Stasi-Theorie«, so der Regisseur. »Die Logistik erforderte Attentäter mit einer perfekten Ausbildung, wie sie die Scharfschützen der Stasi durchliefen.«

Der handwerklich exzellent inszenierte und dramaturgisch solide aufgebaute Zweiteiler braucht den Vergleich mit den Klassikern des Politthriller-Genres nicht zu scheuen. Über die spannende Geschichte hinaus lässt der Film die Atmosphäre der frühen 1990er Jahre wieder aufleben. Die Entwertung von Lebensentwürfen von Millionen DDR-Bürgern durch die Treuhand führte zu sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen, die heute sichtbar werden.

5. und 7. November, ZDF, je 20.15 Uhr

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