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Vereinzelung überwinden - aber wie?
Bernd Stegemann, Mitgründer von »Aufstehen«, diskutierte mit der LINKE-Politikerin Gesine Lötzsch
Bernd Stegemann ist ein eloquenter Gesprächspartner mit sympathischem norddeutschen Akzent. Am Dienstag Abend hatte die LINKE-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch den Dramaturgen und Philosophen zur bereits 65. Ausgabe ihrer Veranstaltungsreihe »geDRUCKtes« in die Bundeszentrale ihrer Partei eingeladen. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Rosa-Luxemburg-Saal sprach sie mit ihm hauptsächlich über sein 2017 erschienenes Buch »Das Gespenst des Populismus«.
Stegemann ist in diesem Jahr als einer der Gründer der überparteilichen Sammlungsbewegung »Aufstehen« hervorgetreten. Durch sein Buch und einen im Frühjahr 2016 in der »Zeit« erschienenen Essay über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung wurde Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht auf ihn aufmerksam. Ein langes Gespräch mit ihr im Frühsommer dieses Jahres sei die »Geburtsstunde« von »Aufstehen« gewesen, das könne er »in aller Bescheidenheit« sagen, berichtete der 51-Jährige. Die neue Bewegung war am Dienstag eher am Rande ein Thema. Auf die Dilemmata, in denen linke Politik allgemein steckt, kamen Lötzsch und Stegemann hingegen wiederholt zu sprechen.
Der Professor an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« machte deutlich, dass Populismus als Methode des Schürens von Hass auf die vermeintlich »anderen« sowie der Verbreitung von Heilsversprechen eine wesentliches rhetorisches Mittel rechter Politiker ist. Und dass es sehr schwierig ist, Leute, die solchen Demagogen auf den Leim gegangen sind, für linke Alternativen zurückzugewinnen.
Zugleich sieht er im Populismus das gängige Mittel zur Verbreitung neoliberaler Glaubenssätze. So bediene sich Bundeskanzlerin Angela Merkel seit jeher der »Klaviatur« des Populismus. Das »Predigen des Individualismus« habe die »marktkonforme Demokratie« gefestigt. Die »neoliberale Vereinzelung« habe bei einer Mehrheit jedes Klassenbewusstsein zerstört.
An der Linken in Parteien und Bewegungen kritisiert Stegemann, sie habe dem »neoliberalen Mantra« bislang keine »alternative Erzählung« entgegengesetzt. Auch in der Finanzkrise vor zehn Jahren habe sie eher hilflos agiert, nicht von gesellschaftlichen Alternativen gesprochen. Dabei, so Stegemann, sei es klar, dass der »Kapitalismus überwunden werden muss«. Die von ihm unterstützte Bewegung tritt indes eher für eine Rezivilisierung des Kapitalismus auf nationaler Ebene ein.
Als Lehrender hat Stegemann überwiegend mit jungen Leuten aus bürgerlichen Familien zu tun. Die meisten von ihnen seien in »tiefem Relativismus gefangen«, glaubten nicht an die Erkennbarkeit und damit auch nicht an die Veränderbarkeit der Welt, meint Stegemann. Sie seien leicht für Kämpfe gegen rassistische oder sexistische Diskriminierung zu begeistern. Doch wenn die Bürger durch Cum-Ex-Geschäfte um Milliarden betrogen würden, »interessiert das niemanden«. Lötzsch konstatierte, auch in ihrer Partei sei lange Zeit kaum noch über Kapitalismus und die Existenz von Klassengegensätzen gesprochen worden.
Beim Sprechen über die Geringschätzung der sozialen Frage war Stegemann schnell bei seinem Lieblingsthema: der angeblich links-neoliberalen »Doppelmoral«. Die fordere die »offene Gesellschaft«, verteidige aber in Wirklichkeit die Freiheit des global agierenden Kapitals. Den Einsatz für Deklassierte, für Geflüchtete wie für Entrechtete in fernen Ländern, aber auch für von Rassismus und Sexismus Betroffene mag Stegemann offenbar nach wie vor nicht gern als zusammengehörende Aufgaben linker Politik denken. Gleichwohl betonte er, er halte es für unabdingbar, verschiedene linke Milieus zusammenzuführen.
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