Sauber und profitabel

Nachhaltiges Wachstum ist eine Spekulation

Das Artensterben setzt sich fort, ebenso der Klimawandel, immer mehr Treibhausgase werden in die Luft geblasen. Fast eine halbe Million Menschen in Europa sterben jährlich an Luftverschmutzung, Grenzwerte werden kräftig überschritten. Kein Ende in Sicht: Bis 2060, warnt die OECD, werde sich der globale Rohstoffverbrauch verdoppeln, was »deutlich« zur Verschmutzung von Land, Wasser und Luft beitrage. 70 Prozent der Deutschen sind unzufrieden mit der Klimapolitik der Bundesregierung.

Hier präsentieren sich die Grünen als Lösung. »Wir haben ein eindeutiges Profil: die Ökologie«, sagt Jürgen Trittin. Die Partei kämpft nach eigenen Worten »für eine intakte Natur, hohe Lebensqualität, innovative Wirtschaft und nachhaltigen Wohlstand«, nach dem Motto: Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze. Dabei treffen die Grünen jedoch auf das Problem, dass Ökologie und die herrschende Wirtschaftsweise durchaus im Gegensatz zueinander stehen und dieser Gegensatz der ganze Ausgangspunkt der Ökobewegung wie auch der Grund des Scheiterns aller globalen Klimaschutzvereinbarungen ist. Denn in der betriebswirtschaftlichen Rechnung zählt die Natur als möglichst kostengünstige Rohstoffquelle und Schadstoffdeponie. Jedes Stück Klima- und Umweltschutz bedeutet also potenziell höhere Kosten und damit einen Standortnachteil. Der Begrenzung des Naturverbrauchs entgegen steht zudem der kapitalistische Imperativ des immerwährenden Wachstums. Klimaschutz ist daher heutzutage kein technisches Problem, sondern ein ökonomisches.

Die Grünen wollen diesen Gegensatz auflösen. Auf ihrer Internetseite versprechen sie eine »Wirtschaft, die mit der Umwelt statt gegen sie arbeitet« - und nichts an ihrem Begriff von »Wirtschaft« spricht für einen grundlegenden Systemwechsel. Sie wollen das Alte, nur eben sauber. Dabei setzen die Grünen vor allem auf die Technologie. Per »Modernisierung« sollen Kapitalwachstum und Umweltverbrauch entkoppelt werden. »Wir haben das Wissen, die Technik und den Erfindergeist, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden.« Die Technologie der Grünen soll nicht bloß funktionieren und zum Beispiel den CO2-Ausstoß mindern. Sie soll auch der Kapitalrendite dienen. Niemand muss verzichten oder zurückstecken, im Gegenteil. Klimaschutz sei heute ein »Geschäftsmodell«, so die Partei. Sie wirbt mit »Wirtschaftszweigen, die mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben und schon heute die Märkte von morgen erschließen«. So will sie das Elektroauto vorantreiben, um »die Zukunft der deutschen Automobilindustrie zu sichern«, sagte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Grüne Technologie als Exportschlager - ein Konzept, das nicht für alle Länder aufgehen kann.

Die Widersprüchlichkeit ihres Konzepts bekommen die Grünen laufend zu spüren und das macht sie kompromissbereit. So kämpft Kretschmann für den Diesel als »Brückentechnologie« und gegen zu scharfe Abgasvorgaben. Wegen der »großen Bedeutung des Flughafens für Hessens Wirtschaft« sperren sich die hessischen Grünen nicht gegen seinen Ausbau. Auch gegen Dieselfahrverbote in Frankfurt am Main werden sie wohl angehen. Die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie ist für die Grünen eben nicht nur ein Versprechen, sondern die Bedingung ihrer Politik.

Ob der grüne Masterplan aufgehen kann, ist völlig offen. Denn das Problem mit dem nachhaltigen Wachstum ist laut dem Physiker Hendrik Nordborg: »Es hat bislang nicht funktioniert, es gibt keine Belege, dass es funktionieren kann - und bevor wir diesen Weg versuchen, müssen wir absolut sicher sein, dass nachhaltiges Wachstum möglich ist.«

Ob ihre Klimaschutzpläne vereinbar sind mit dem herrschenden Wirtschaftsmodell und ob das, was vereinbar wäre, überhaupt die notwendige Reduzierung der Treibhausgase gewährleistet, das kann auch die grüne Parteiführung nicht wissen. Dessen ungeachtet vollführt sie ihren »Spagat zwischen Radikalität und Umsetzbarkeit« mit kleinen und größeren Schritten, sie verspricht mehr Klima- und Umweltschutz - so viel, wie eben geht. Damit sind die Grünen zwar ökologischer als die Parteien rechts von ihr. Doch ihre Vision eines nachhaltigen Kapitalismus bleibt eine pure Spekulation.

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