Poroschenko verhängt Kriegsrecht

Kiew setzt Streitkräfte in Kampfbereitschaft / Russische Marine rammte offenbar ukrainische Schiffe

  • Lesedauer: 3 Min.

Kiew. Die Konfrontation zwischen der Ukraine und dem Nachbarn Russland rund um die Halbinsel Krim nimmt bedrohliche Formen an. Nach einer Ramm-Aktion und Schüssen der russischen Marine gegen ukrainische Schiffe im Asowschen Meer hat die Ukraine am Montag seine Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft versetzt. Der Befehl sei gegeben worden, nachdem der Sicherheitsrat des Landes die Verhängung des Kriegszustands empfohlen habe, teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit.

Präsident Petro Poroschenko hat indes das Kriegsrecht für die nächsten 60 Tage verhängt. Das teilte das Präsidialamt am Montag mit. Das Parlament, das am Nachmittag zusammentreten will, muss darüber binnen 48 Stunden befinden.

Unterdessen öffnete Russland am Morgen die Meerenge von Kertsch vor der Krim wieder für den Verkehr. Seit 4.00 Uhr dürften Schiffe sie wieder passieren, berichteten russische Medien unter Berufung auf die Behörden der Krim. Die Sperrung war am Sonntag verfügt worden. Russland hatte den Schritt mit Sicherheitsbedenken begründet.

Ausgangspunkt war eine Eskalation in der Meerenge von Kertsch. Die russische Marine hatte dort ukrainischen Schiffen die Durchfahrt verweigert und eines der Schiffe gerammt. Später wurden drei ukrainische Schiffe von russischen Streitkräften aufgebracht und gekapert. Auf ukrainischer Seite seien dabei sechs Menschen verwundet worden, berichteten ukrainische Medien. Die Schiffe seien wegen Grenzverletzung festgehalten worden, hieß es beim zuständigen russischen Inlandsgeheimdienst FSB.

Der ukrainische Staatschef kündigte an, er wolle am Montag Kontakt zu NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und anderen westlichen Politikern aufnehmen. Er wollte mit ihnen über das weitere Vorgehen sprechen und um deren Unterstützung im Konflikt mit Moskau bitten. Zudem setzte Poroschenko die Reservisten der Streitkräfte in Bereitschaft. Die sogenannte Erste Welle der Reserve solle sich bereit halten, sagte er. Dies bedeute jedoch nicht unmittelbar eine Mobilmachung, fügte er nach Angaben der russischen Agentur Interfax hinzu.

Moskau reagierte auf die Schritte Kiews in der Nacht mit dem Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen. Russland habe um diese Sondersitzung am Montagmorgen (Ortszeit) unter dem Tagesordnungspunkt »Erhalt von internationalem Frieden und Sicherheit« gebeten, zitierte die Agentur Tass den russischen UN-Vertreter Dmitri Poljanski.

In Kiew versammelten sich am Sonntagabend Dutzende Demonstranten vor der russischen Botschaft. Ein starkes Polizeiaufgebot sicherte das Gebäude ab. Am Ende hinterließen die aufgebrachten Ukrainer Hunderte von weißen Papierschiffchen vor der Botschaft und auf dem Zaun, wie die Zeitung »Ekspres« berichtete. Unweit der Botschaft sei jedoch ein Auto mit russischen Diplomaten-Kennzeichen in Brand gesetzt worden, berichtete die Tass. Vor dem russischen Konsulat in Lwiw (Lemberg) zündeten Demonstranten Autoreifen an.

Die Europäische Union rief Russland und die Ukraine zur »äußersten Zurückhaltung« auf, damit die Lage im Schwarzen Meer nicht eskaliere, hieß es in der Nacht zum Montag in einer Mitteilung. Die EU erwarte, dass Russland die Durchfahrt durch die Meeresenge wieder ermögliche. Auch die NATO rief zur Zurückhaltung und Deeskalation auf.

Das Asowsche Meer nordöstlich der Krim entwickelt sich seit Monaten zu einem weiteren Schauplatz des Konflikts der Nachbarländer. Kiew hatte angekündigt, die Präsenz der ukrainischen Marine im Asowschen Meer zu erhöhen. Die von Russland kontrollierte Straße von Kertsch ist der einzige Zugang für Schiffe zu dem Gewässer. Agenturen/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!