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Zwei Stiefel und zwei Ichs
Eberhard Panitz berichtet über Ernesto Che Guevara
»Das Bild von Che Guevara bleibt, der Zeit zum Trotz, den so ungeheuren Ereignissen, die täglich und unerbittlich eins aufs andere folgen; es bleibt an den Wänden und in den Köpfen vieler junger Menschen: unverändert, schön und romantisch«, war Jorge Amado überzeugt. Wie zur Bestätigung hat das Vorwort zum neuen Buch von Eberhard Panitz, Jg. 1932, ein junger Aktivist verfasst: Tobias Salin, 1990 geboren. Vor fünf Jahren war er mit einer Solidaritätsbrigade auf Kuba und bloggt seitdem fleißig berichteaushavanna.de. Er erinnert an Ches Kampf, die Menschen von der Tyrannei der großen Konzerne und Banken zu befreien und konstatiert: »Seinem Beispiel zu folgen ist heute notwendiger denn je.«
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Eberhard Panitz: Commandante Che.
Verlag Wiljo Heinen, 233 S., br., 10 €.
Anschließend meint Panitz: »Es lohnt, darüber nachzudenken, warum andere viel gerühmte oder geschmähte Gestalten und Erscheinungen des vorigen Jahrhunderts längst vergessen sind, jedoch die Erinnerung an Che Guevara lebendig bleibt und wohl auch noch die folgenden Generationen erreicht und begeistert.« Er antwortet darauf mit Fidel Castro: »Als Che fiel, verteidigte er keine anderen Interessen, keine andere Sache als die der Ausgebeuteten und Unterdrückten dieses Kontinents, die der Armen und Gedemütigten dieser Erde.«
Der Schriftsteller gesteht, dass ihm selbst die Bedeutung Ches und der kubanischen Revolution noch nicht in ganzer Tragweite bewusst war, als er erstmals nach Kuba reiste. In seinem Tagebuch findet sich unter dem Datum 27. Juli 1961, notiert vor einer Fahrt nach Playa Girón, zur Schweinebucht, wo die US-Invasion drei Monate zuvor kläglich gescheitert war: »Ärger als pünktliche Deutsche, weil wir stundenlang vorm Hotel sitzen und warten, ohne dass es jemand kümmert.« Die ungeduldig wartende Gesellschaft wurde von Tamara Bunke lächelnd beruhigt: »Nur keine unrevolutionäre Ungeduld, gleich geht’s los!« Die Ausländer werden mehr als entschädigt, sie lernen Fidel und Che kennenlernt, außerdem auch den ersten Mann im Weltall, den sowjetischen Kosmonauten Juri Gargarin. Panitz informiert zudem darüber, dass damals von dem Geheimdiensten Kubas und der Sowjetunion in letzter Minute ein Attentat vereitelt worden ist, wie erst jüngst bekannt wurde.
Sein lebendig und mit offenkundiger Sympathie verfasster biografischer Abriss speist sich nicht nur aus persönlichen Erlebnissen und Begegnungen. Das von Panitz offerierte Lebensbild eines Nachfahre des letzten spanische Vizekönigs von Peru, der eine wohlbehütete, wenn auch von Krankheit überschattete Kindheit genoss, während seiner ersten großen Motorradfahrt durch Südamerika 1951 mit sozialem Elend konfrontiert und politisiert wurde, ist reich bespickt mit Erinnerungen von Zeitgenossen und Weggefährten. Ches. Vater und Geschwister teilten über ihn mit: »Manchmal verließ er das Haus in zwei Stiefeln verschiedener Farbe und Form.« Panitz erklärt, warum Che seinen erstrebten und studierten Beruf, Arzt, zur Enttäuschung seiner Eltern und seiner ersten Verlobten aufgab. Er hätte eine eigene Klinik gründen und sehr reich werden können. »Aber wenn ich dies täte, wäre dies der größte Verrat an den beiden Ichs, die in mir kämpfen, dem Sozialisten und dem Reisenden«, begründete Che. Seine zweite Verlobte, die Peruanerin Hilda Gadea, habe ihn endgültig zum Kommunisten gemacht, schreibt Panitz.
Spannend nachgezeichnet sind die Überfahrt und Landung der »Granma« an Kubas Küste, die nach Che »ein kläglicher Schiffsbruch« war, die Kämpfe der schlecht ausgerüsteten Rebellen gegen die übermächtigen Truppen Batistas, ihr schließlicher Sieg mit dem Einmarsch in Havanna am 1. Januar 1959, Ches neue Aufgaben als Festungskommandant, Direktor der Nationalbank und Minister, seine revolutionäre Ungeduld, die ihn nach Afrika und letztlich nach Bolivien führte, wo er ermordet wurde. »Ich fühle, dass ich meinen Teil der Pflicht erfüllt habe, die mich an die kubanische Revolution band«, hatte Che in seinem Abschiedsbrief an Fidel sein plötzliches Verschwinden erklärt.
Panitz widerlegt nebenbei etliche Lügen und Legenden, so die hierzulande gern kolportierte Verleumdung von Che als »Henker von Havanna«. Das Buch überrascht mit unbekannten oder wenig bekannten Fotos von Che. Und natürlich fehlt auch nicht eine Aufnahme des renommierten DDR-Fotografens Thomas Billhardt, die Panitz mit Che in der Sierra Maestra zeigt.
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