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Streit um die Arbeitsplätze
UN-Klimakonferenz verabschiedet Deklaration für »Solidarität und eine gerechte Transition«
Während am Sonntag in Katowice die UN-Klimakonferenz feierlich eröffnet wurde, randalierten in Paris die »Gelben Westen« und demolierten den Triumphbogen. Die beiden weit auseinanderliegenden Ereignisse sind miteinander verknüpft: Die »Gelben Westen« in Frankreich haben ihren Protest gestartet, nachdem Präsident Emmanuel Macron Benzin- und Dieselsteuern erhöht hatte. Damit will das französische Staatsoberhaupt eine Verkehrswende einleiten - unterschätzte jedoch völlig die soziale Dimension dieser Maßnahme.
Die beiden in Katowice vertretenen Minister aus Deutschland brachten das klimapolitische Dilemma am Montag auf den Punkt: Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) bezeichnete den Schutz des Klimas als »Überlebensfrage der Menschheit«, und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte: Die Ereignisse in Paris zeigten, dass »Klimaschutz solidarisch sein muss«.
Regelbuch: Das Pariser Abkommen setzt die Ziele und legt den Fahrplan der Weltgemeinschaft im Kampf gegen die Erderwärmung fest. Details der Umsetzung sind aber noch offen. Die Klimadiplomaten wollen sich auf Transparenzregeln und Berichtspflichten einigen: Nach welchen Methoden sollen die Länder ihren Treibhausgasausstoß erfassen? Auch Transparenzvorschriften zu den Klimahilfen für arme Länder müssen verabredet werden.
Tanaloa-Dialog: Die Staaten wollen überprüfen, wie die Welt bei der Minderung der Treibhausgase insgesamt vorankommt. Die Diskussion über den Stand ist benannt nach der konsensorientierten Gesprächskultur der Fidschi-Inseln: Tanaloa. Bereits jetzt ist klar, dass die freiwilligen nationalen CO2-Minderungsziele, die sich die Staaten in Paris gegeben haben, nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.
Finanzen: Im Pariser Abkommen wird das Versprechen der Industrieländer festgehalten, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Erderwärmung in armen Staaten bereitzustellen. Diese Summe soll bis 2025 fließen. Bereits vorher soll ein neues Finanzierungsziel festgelegt werden. Und die Zusagen sollen konkretisiert werden: Wer zahlt was? Wie viel davon fließt aus staatlichen Mitteln? Wie viel über die Privatwirtschaft?
Just Transition (Gerechter Strukturwandel): Das Gastgeberland Polen möchte den Strukturwandel in den Kohlerevieren und dessen soziale Folgen zu einem Schwerpunktthema der Konferenz machen. Dazu soll auf dem Gipfel eine Erklärung verabschiedet werden. Entwicklungs- und Umweltorganisationen befürchten, dass die polnische Konferenzpräsidentschaft Arbeitsplätze und Umweltschutz gegen-einander ausspielen will. epd/nd
Die Erkenntnis war auch der Grund für die vom Internationalen Gewerkschaftsbund erarbeitete »Silesia-Deklaration für Solidarität und einen gerechten Strukturwandel«, die am Montag verabschiedet wurde. »Silesia« ist die lateinische Bezeichnung für Schlesien. Das nicht bindende Papier ist eine der Prioritäten des polnischen Präsidenten der Klimakonferenz, Michal Kurtyka. Die Regierung in Warschau schrieb auf ihrer Internetseite: Emissionsreduktionen »werden sozialen Widerstand und signifikante politische Risiken für Regierungen hervorrufen, wenn sie nicht durch soziale Programme für Arbeiter begleitet werden, deren Arbeitsplätze verloren gehen«. Oder anders: Paris zeigt, dass Klimaschutz zur Überlebensfrage für Regierungen werden kann.
Allerdings gibt es Kritik am Fokus auf Arbeitsplätze in der Kohle- und Schwerindustrie: »Wir gratulieren unseren Verbündeten in der Gewerkschaftsbewegung«, sagte etwa Dagmar Enkelmann, Chefin der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS). Doch dann stellte Enkelmann klar: »Keine Transformation kann als gerecht bezeichnet werden, wenn sie nicht zuallererst versucht, die globale Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu reduzieren.« Doch dieses Ziel komme in der Deklaration nicht vor - so wie das deutsche Klimaziel für das Jahr 2020 in der Kohlekommission keine Rolle spiele. Tadzio Müller, RLS-Klimasprecher, ergänzte: »Die Möglichkeit, die deutschen Klimaziele für 2020 zu erreichen, wird durch die Frage der Kohlearbeitsplätze massiv blockiert.« Im Grundsatz hat das auch der Internationale Gewerkschaftsbund verstanden und in den griffigen Slogan gepackt: »Es gibt keine Jobs auf einem toten Planeten.«
Die Deklaration ignoriert auch die Chancen einer ambitionierten Klimapolitik. Diese betonte dafür UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der bei der Eröffnungszeremonie sagte: »Ehrgeiziger Klimaschutz könnte 65 Millionen Arbeitsplätze und einen direkten wirtschaftlichen Gewinn von 26 000 Milliarden (26 Billionen) Dollar in den nächsten zwölf Jahren schaffen.« Dank saubererer Luft würden zudem eine Million vorzeitiger Todesfälle pro Jahr vermieden. Guterres kritisierte jedoch: »Wir sind nicht auf Kurs.« Den wirtschaftsstarken Länder gelinge es bislang nicht, den Kohlendioxidausstoß ausreichend zu drosseln. Er erinnerte daran, dass nach Auffassung von Wissenschaftlern bis Mitte des Jahrhunderts ein Netto-CO2-Ausstoß von null erreicht werden muss, um verheerende Folgen der Erderwärmung zu verhindern.
Auch der Schweizer Präsident Alain Berset nutzte seine Redezeit, um für eine schnelle Transformation zu werben: »Diejenigen, die sich heute als erste bewegen, werden die Gewinner von morgen sein.«
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