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Frostige Stimmung in Katowice
Die UN-Klimaverhandlungen gehen in die Schlussphase - wichtige politische Streitfragen sind ungeklärt
In Katowice ist es über Nacht deutlich kälter geworden und es schneit. Das passt zur Stimmung auf der bis Freitag gehenden UN-Klimakonferenz, die zunehmend frostig wird: Am Dienstag beschlossen die afrikanischen Länder, bestimmte Gespräche auf Diplomatenebene zu boykottieren. Dabei gab es noch viel Arbeit für die Diplomaten, die die vorliegenden Entwürfe der Abschlusserklärungen so weit bereinigen müssen, dass sich die seit Mittwoch beratenden Minister auf die wirklich wichtigen Streitfragen konzentrieren können.
Dazu gehören etwa die Fragen zu den Klimahilfen für arme Länder und zum Berichtswesen. Dabei geht es um Regeln für die statistische Erfassung der CO2-Emissionen der 195 Vertragsstaaten, die in Katowice gerade beraten. Aus der Statistik ergeben sich auch die Erfolge oder Misserfolge der Klimaschutzmaßnahmen jedes Landes. Von einem »Geben und Nehmen« spricht Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation. Zudem wollten die Länder in dieser Phase der Konferenz »ihre Verhandlungs-Chips« noch nicht preisgeben.
Reine Finanzzusagen gehören da allerdings nicht dazu, und einige Industriestaaten sind hier schon in Vorleistung gegangen: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) kündigte am Mittwoch an, Deutschland werde weitere 68 Millionen Euro bereitstellen, um armen Staaten bei ihren Klimaschutzplänen und deren Umsetzung zu helfen. Weitere Finanzzusagen kamen von der Schweiz, Norwegen, Schweden, Neuseeland und der Weltbank.
Während die USA keine Klimahilfen mehr bereitstellen und voraussichtlich im November 2020 aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen, sind sie in den Verhandlungen zum Regelbuch voll engagiert. Die noch aus der Obama-Ära stammenden Diplomaten wollen ein Regelwerk aushandeln, das es dem Nachfolger von US-Präsident Donald Trump ermöglicht, dem Abkommen sofort wieder beizutreten. Dafür müssen sie sicherstellen, dass für die USA und China möglichst die gleichen Regeln gelten sowie für Entwicklungsländer nur wenige Ausnahmen gemacht werden. Solche lässt das Paris-Abkommen zu, weil die Länder nur »im Licht ihrer Kapazität« über ihre Emissionen berichten müssen. Dem 12 000-Einwohner-Staat Tuvalu ist daher erlaubt, weniger detailliert zu berichten als etwa Deutschland.
Unklar ist auch noch, welche Priorität der Klimaschutz generell spielen soll. Im Abkommen von Paris wird das Ziel festgeschrieben, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad. Der Unterschied ist mit Blick auf die Emissionsminderungsziele gewaltig. Und so ist eine Frage in Katowice: Soll der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC, der dringend zum 1,5-Grad-Ziel rät, nur »zur Kenntnis genommen werden«, wie es die USA, Russland, Saudi-Arabien und Kuwait fordern, oder soll er »begrüßt werden«, wie es der Rest der Welt will. Was wie eine Spitzfindigkeit klingt, sei »strategisch wichtig«, meint Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch. Einfache Kenntnisnahme verhindere, dass sich Länder in Zukunft auf den Inhalt des Berichts berufen können.
Der Bericht war denn auch Thema beim ersten Treffen der High Ambition Coalition (HAC), eines informellen Zusammenschlusses »hoch ambitionierter« Industriestaaten wie der EU und einigen Schwellenländern wie Mexiko mit den ärmsten Ländern der Welt und vor allem den vom Klimawandel bedrohten Inselstaaten. Diese Koalition hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das 1,5-Grad-Ziel überhaupt im Paris-Abkommen steht und der Weltklimarat den dazugehörigen Bericht geschrieben hat. Unabhängig von der Wortwahl im Abschlussdokument von Katowice hat die HAC bereits ein wesentliches Ziel erreicht: Der IPCC-Bericht ist bereits zum Referenzrahmen der internationalen Klimapolitik geworden, wie der Chef des Schweizer Bundesamtes für Umwelt, Marc Chardonnes, in Katowice beobachtet hat: »Der Bericht wirkt als stille Macht hinter den Statements der Minister.«
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