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Spider-Man, Spider-Gwen, Spider-Ham
Im Kino: Der Animationsfilm »Spider-Man: A New Universe« lässt gleich mehrere Spidermänner und -frauen auflaufen
Miles Morales, der Held der Geschichte, erlebt eines Tages nicht nur, wie es ist, Peter Parker bzw. Spider-Man beerben zu müssen – er trifft auf fünf weitere Spider-Männer, oder vielmehr Spider-Leute: Gwen Stacy als Spider-Gwen, den schwarz-weißen Noir-Spider-Man, die manga-artige Peni Parker, das schwer verkalauerte Cartoonschwein Peter Porker als Spider-Ham sowie einen verlotterten Peter Parker, der irgendwann im Leben alles falschgemacht hat. Sie stammen sämtlich aus verschiedenen Universen, wo sie von der jeweils ansässigen, nicht ganz so freundlichen Spinne aus dem Labor gebissen wurden.
Die klassische Botschaft des Marvel-Verlags, dass – in Abgrenzung zu den superioren DC-Helden – jeder ein Superheld sein kann, bekommt in diesem Cross-over eine exponentielle Gestalt. Dabei greift der Film auf vorhandenes Material zurück, den »Ultimate Spider-Man« (2000) etwa oder »Spider-Gwen« (2015), die – typisch für den Comic-Betrieb – als alternative Erzählreihen die ursprüngliche Story variieren. Jenes ›Spider-Verse‹, das im Film verschränkt wird, existiert also längst.
Nur, die Ausführung ist sagenhaft. Mit erzählerischem Tempo, einer wohlstrukturierten Story (die lediglich am Ende etwas dem Spektakel weichen muss) und einer dichten Komik wickelt der Film den Zuschauer um den Finger. Selbst der obligatorische Stan-Lee-Cameo ist lustiger als üblich, und anders als etwa bei »Deadpool« reduziert sich der Witz nicht bloß aufs Bonmotfeuer; er kommt ebenso aus der Situation und hat nicht nötig, seine Helden, die er durchaus ernstnimmt, ironisch zu brechen.
Heraus ragt das Visuelle: Die Animation gibt den State of the Art wieder. Eine Bildführung mit leichten Wacklern und Schwenks erzeugt zeitweilig den Eindruck realer Kameraarbeit. Die starke Leuchtkraft der Farben (als Kontra zur schwachen Sättigung in den MCU-Filmen) wie die feinteilige Räumlichkeit der Panoramabilder werden in den Nah-Szenen durch einem Zeichenstil ersetzt, der den Comic selbst auf die Leinwand zu bringen scheint. Man sieht die Pinselstriche, die typischen Kanten. Genuine Mittel wie Textblasen, Geräuschworte oder die Aufteilung des Bilds in Panels erweisen den geschlossenen Gedanken dahinter.
Die Schwäche des Films liegt in der Verflachung des vorhandenen Mythos. Ich sage Mythos, weil das Verhältnis von Figur und Handlung im Comic dem in der klassischen Dichtung ähnlich ist. In den Figuren ruhen gewisse Konstanten, durch die man sie erst immer wieder neu erzählen kann, ohne dass sie aufhören, sie selbst zu sein. Es ist nicht leicht herauszubringen, was an einer mythischen Figur konstant und was variabel ist. Zu Spider-Man gehört unbedingt die Geschichte um seinen ermordeten Onkel Ben. Jener Mord, der Peter Parker persönlich betrifft, geschieht, weil Peter einmal in seinem Leben Hilfe verweigert, also gerade weil er sich bloß gefragt hat, ob es ihn persönlich betrifft. Die Pointe der Spider-Man-Story steht somit, trotz Voluntarismus und Vigilantentum, als Gegenentwurf zur Asozialität des Liberalismus: Behandle jeden, wie du selbst behandelt werden willst, denn es könntest du selbst sein.
Hinter dieser Idee, die nie besser in Szene gesetzt wurde als in Sam Raimis »Spider-Man« von 2002, bleibt die neueste Adaption zurück. Gewiss lässt sich das Treffen der Spider-Leute als poetologische Metapher für das Verhältnis verschiedener Versionen desselben Stoffs verstehen. Die Erzählung erzählte demnach die Geschichte der Erzählung, nur folgt diesem Gedankenspiel weniger als der vergleichsweise bescheidenen Rückbesinnung auf den ideellen Kern des Spider-Man-Mythos.
»Spider-Man: A New Universe«, USA 2018. Regie: Bob Persichetti, Peter Ramsey, Rodney Rothman; Darsteller: Shameik Moore, Hailee Steinfeld, Nicholas Cage. 117 Min.
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