Unser Lehrer Dr. Jazz
»Soul of a Nation«
Aus dem Jazz kommt fast alles, was später wichtig wurde: Rhythm & Blues, Rock ’n’ Roll, Soul, Hip-Hop. Hier ein Merksatz, der sich reimt: »Jazz is the Teacher - Funk is the Preacher.« Das ist der Untertitel des Samplers »Soul of a Nation«, der schwarze Musik aus den USA präsentiert, die zwischen 1968 und 1976 erschien - eine Zeitspanne, die von der Euphorie der Black Panther Party Ende der 60er Jahre bis zur Depression nach deren staatlicher Verfolgung und Zerschlagung reicht.
Der Begriff »Soul of a Nation« meint weniger schwarzen Nationalismus, den die Black Panther ja auch im Programm hatten, denn einen ganzen Kontinent als eine emanzipatorische Fantasie: Afrika, das aus dem Kolonialismus emporgestiegen war, stellte ein Symbol für besseres Leben und Befreiung dar. 1960 hatten 17 subsaharische afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit erklärt. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA fühlte sich dadurch inspiriert: »Black Power« gegen rassistische Unterdrückung.
Hier war wieder der Jazz entscheidend. Seine Musiker wollten nicht mehr nur als Entertainer gelten, sondern definierten sich als Künstler - mit einem betont »afrozentristischen Ansatz«, der auch auf Literatur, Film und Kunst ausstrahlte. Schon zu Beginn der 60er Jahre hatten John Coltrane und Ornette Coleman die Formen des Jazz erneuert. Beide spielten Saxofon - freier und ekstatischer. Parallel machten die Drummer Art Blakey und Max Roach ihr Instrument mächtiger und vielseitiger. Percussion wurde relevanter.
Was aus diesem künstlerischen Aufbuch resultierte, kann man auf dem Sampler »Soul of a Nation« hören. Das beste Stück ist gleich das erste: »Theme de Yoyo« vom Art Ensemble of Chicago aus dem Jahr 1970. Ein neunminütiges Funkjazzstück mit psychedelischem Einschlag, in das die Soulsängerin Fontella Bass hineinsingt, so wie 20 Jahre später die House-Tracks Vocals bekamen, um nicht auseinanderzufallen. In Richtung Disco geht auch der Afro-Salsa-Funk der Pharaohs von 1973, deren Bläser nach der Bandauflösung dann zu Earth, Wind & Fire gingen. Das bekannteste Lied ist »Hard Times« von Baby Huey. 1971 produziert von Curtis Mayfield, wurde es später im Hip-Hop gesampelt, beispielsweise von Ice Cube oder A Tribe Called Quest.
Manche Songs klingen sehr nach Fusion, dem schlimmen Jazzrockgegniedel der mittleren 70er Jahre, andere nach Trailern für TV-Serien, die man schon vergessen hat. Es gibt aber auch mit den ersten Spoken-Word-Aufnahmen von Sarah Webster Fabio und Gil Scott-Heron den Spiegel des Kommenden: Ihr Proto-Rap kündigt Mitte der 70er Jahre Hip-Hop als die nächste - leider nur - musikalische Revolution an, die dann tatsächlich zu einer Musik der Massen wurde.
Various Artists: »Soul of a Nation. Jazz is the Preacher. Funk is the Preacher« (Soul Jazz Records)
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