- Politik
- Wohnkostenübernahme
Hoffnung auf mehr Zuschuss für die Miete
Bundessozialgericht bekräftigt die Forderung von Hartz-IV-Empfängern nach der Übernahme höherer Wohnkosten in Flächenlandkreisen
Das Bundessozialgericht in Kassel hat am Mittwoch die Praxis mehrerer Landkreise bei der Berechnung der Wohnkostenübernahme für Empfänger von Grundsicherungsleistungen für unzulässig erklärt. Entschieden wurde über insgesamt sechs Fälle, davon vier aus Sachsen-Anhalt, bei denen nun eine Neuberechnung erfolgen muss, da davon auszugehen sei, dass die Bescheide der jeweiligen Jobcenter rechtswidrig seien, erklärte das Gericht. Die Betroffenen können nun mit Nachzahlungen rechnen, die teilweise bis ins Jahr 2012 zurückreichen.
Wie viele Menschen von dieser Entscheidung profitieren könnten, ist noch nicht abzusehen. Nico Sauer, einer der an dem Verfahren beteiligten Rechtsanwälte, sagte dem MDR, dass in seiner Kanzlei 1200 Widerspruchsverfahren gegen entsprechende Bescheide betreut würden. Die Bundesagentur berichtete im Oktober 2018 von mehr als 30.000 Klageverfahren zu verweigerten Wohnkosten.
Damit folgt das Gericht seiner in früheren Urteilen vertretenen Linie, nicht auf konkreten Erhebungen basierende Pauschalierungen der maximalen Wohnkostenübernahme als unzulässig zu bewerten. Die meisten Großstädte haben Ausführungsvorschriften entwickelt, die sich an unteren Mietspiegelwerten orientieren und regelmäßig überprüft werden. Auch gibt es Spielräume, um geringfügige Überschreitungen zu tolerieren und besondere Härten, die ein erzwungener Umzug mit sich bringen würde, zu berücksichtigen. Doch auch in Städten mit »differenzierten« Ausführungsvorschriften sind die ermittelten Sätze zweifelhaft, da oft mit veralteten Mietspiegeln gearbeitet wird, sodass die Obergrenzen durch die zwischenzeitlichen Mietpreissteigerungen kaum noch als Bemessungsgrundlage taugen. Im Urteil vom Mittwoch werden diese Fragen nicht thematisiert, denn in dem Verfahren ging es um Obergrenzen anhand allgemeiner Pauschalwerte. Dies könnte sich nach dem aktuellen Urteil ändern.
Bei der Verweigerung der vollen Wohnkostenübernahme müssen Betroffene den Differenzbetrag aus dem Regelsatz - derzeit 416 Euro pro Monat für einen Alleinstehenden - aufbringen. Das gilt auch für die Übernahme von Betriebskostennachzahlungen, die von vielen Jobcentern verweigert werden, wenn bestimmte Höchstwerte überschritten werden. Beratungsstellen berichten von Fällen, in denen Mietschulden auflaufen, die zum Verlust der Wohnung führen können. Und selbst, wenn es den Betroffenen gelingt, eine neue Wohnung zu finden, die den Mietrichtlinien entspricht, drohen finanzielle Einbußen. Zwar übernehmen die Jobcenter die meist fällige Mietkaution, diese muss aber in monatlichen Raten von bis zu zehn Prozent des Regelsatzes zurückgezahlt werden.
In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion teilte die Bundesregierung im Sommer 2018 mit, dass die Jobcenter 2017 rund 588.000 Haushalten weniger Miete zugebilligt hatten, als diese tatsächlich zahlen mussten. Die aus dem Regelsatz zu begleichende Differenz betrug bei den Betroffenen durchschnittlich 90 Euro pro Monat.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.