- Berlin
- Verkehrswende
Verkehrswende sofort
Die Kampfansage gegen Autos in Berlin ist richtig
Berlins viel gescholtene Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) hat Tacheles geredet - endlich, möchte man nachschieben. Auf einer Wirtschaftsveranstaltung der CDU hat Günther unlängst erklärt: »Wir möchten, dass die Menschen ihr Auto abschaffen.« Selten habe sie auf einen Satz so viele Reaktionen erhalten, schrieb Günther danach in einem Gastbeitrag für den »Tagesspiegel«, in dem sie den Kontext für ihre Aussage ausführlich darlegte. Denn neben Zustimmung zu ihrer Ansage gab es viel Unmut. In gewohnter Manier ruderte Günther deshalb ein bisschen zurück, erklärte, dass es eben nicht um einen »Kulturkampf« gegen das Auto gehe, sondern darum, möglichst viele Autofahrerinnen und Autofahrer von der Straße in den Umweltverbund zu bringen. Das ist zwar richtig, aber dennoch würde man sich öfter deutliche Worte von der Verkehrssenatorin wünschen - kein Relativieren und Lavieren.
Denn eine Verkehrswende light ohne gesellschaftliche Debatten und Konflikte wird es nicht geben. Rot-Rot-Grün ist auch deshalb gewählt worden, weil das Mitte-links-Bündnis eine andere Verkehrspolitik versprochen hat. Und dieser Politikwechsel steht aus. Natürlich ist es vermessen einzufordern, dass in zweieinhalb Jahren die jahrzehntelangen Fehler der sogenannten autogerechten Stadt mit einem Federstrich korrigiert werden. Es stimmt zudem, dass die Koalition inzwischen ein wegweisendes Mobilitätsgesetz verabschiedet hat. Aber es könnte schneller gehen. Ein Beispiel: Als vor zwei Jahren bekannt wurde, dass der Senat große Hauptstraßen für Autos auf eine Spur verengen will, war der Ärger ebenfalls groß. Nach dem Shitstorm drängte sich bereits seinerzeit der Eindruck auf, dass der Verkehrsverwaltung die eigene Courage unheimlich wurde. Auf die dringend nötigen Verengungen wartet die Stadt bis heute.
Dabei unterstützen viele Berliner eine andere Verkehrspolitik, wie Fußgängervertreter, Radaktivisten und Fahrgastverbände immer wieder erklären. Doch im Alltag ändert sich wenig. Sicher, hier und da gibt es jetzt einen der mit Pollern versehenen und grün angepinselten Fahrradwege. Angesichts des Beginns der Saison der Sommerradler ist es jedoch allerorten in der Stadt zu spüren, dass die Infrastruktur überhaupt nicht dem großen Bedarf entspricht. Selbst wenn man Senatorin Günther zugute hält, dass ihre Verwaltung nach der Wahl erst neu aufgebaut werden musste, ist es schwer nachvollziehbar, dass es so langsam vorangeht. In der Verkehrspolitik der Metropole muss mehr passieren als bloße Ankündigungen. Die Verkehrswende muss kommen - und zwar sofort.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.