Der Miethai, der hat Zähne

Demonstration nach Räumung zweier besetzter Häuser in Freiburg

  • Dirk Farke, Freiburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Anlässlich der Räumung von zwei besetzten Häusern am Donnerstag vergangener Woche gingen Samstagabend mehr als hundert meist jugendliche Demonstranten in Freiburg auf die Straße, um auf eine fehlerhafte Wohnraumpolitik der Stadt aufmerksam zu machen.

Oberbürgermeister Martin Horn kündigte nach seiner Wahl im letzten Jahr an, künftig mehr Wohnraum für alle zur Verfügung zu stellen. Ein wirksames Vorgehen der Verwaltung gegen den Leerstand hat er damit offensichtlich nicht gemeint.

Die Stadt am Oberrhein leidet seit Jahrzehnten unter gravierendem Wohnraummangel und daraus resultierenden viel zu hohen Mieten. Trotz einem seit einigen Jahren bestehenden sogenannten Zweckentfremdungsverbot stehen viele Wohnungen und oft ganze Häuser jahrelang leer, werden von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt oder luxussaniert. Um auf dieses Problem - die Sozialwissenschaftler sprechen von Gentrifizierung - aufmerksam zu machen, ist es seit Ende vergangenen Jahres zu mehreren - leider meist nur sehr kurzen - Hausbesetzungsversuchen gekommen. Aber das hält die Aktivistinnen und Aktivisten der Initiative »Wohnraum Gestalten« (WG Freiburg) nicht von weiteren Aktionen ab.

Mit der Besetzung des Hauses Klarastraße 17 im Ortsteil Stühlinger am 28. Februar gelang es seit langer Zeit erstmals wieder, ein Haus eine Woche lang zu halten. Grund ist sicher auch die große Unterstützung und Solidarität der Nachbarschaft, die selbst unter den Folgen der Gentrifizierung zu leiden hat. Eigentümer der jetzt wieder zum Leerstand hinzu zu addierenden »Klara 17« ist Michael Stock, Geschäftsführer der DIMISTO Verwaltungs-GmbH, die sich den »Kauf, Verkauf und die Verwaltung von Grundbesitz« zur Aufgabe macht. Ein ihm zur Zeit der Besetzung unterbreitetes Kaufangebot vom Verein »Stühlinger für alle« schlug er aus und damit die Möglichkeit, seiner Firma zumindest für diese Immobilie noch einen sozialen Anstrich zu geben. In Erinnerung aber wird bleiben ein einwöchiges reichhaltiges Kulturangebot mit Vorträgen, Volxküche und Kneipe. Vor allem auch die breitgefächerte Solidarität der Nachbarschaft.

Parallel dazu besetzten die Aktivisten der WG Freiburg am Montag vergangener Woche eine weitere, seit drei Jahren leer stehende Immobilie mit fünf Wohnungen in bester Lage, die Mozartstraße 3. Der schwer kranke Eigentümer, der durch einen rechtlichen Betreuer vertreten wird, öffnet lieber in regelmäßigen Abständen die Portokasse, um die Geldbuße wegen Zweckentfremdung zu entrichten, als Familien die Chance zu geben, aus der Notfallkartei in eine Wohnung umzuziehen. »Die Zweckentfremdung wird immer über das Kapital geregelt«, monieren die Aktivisten diesen Skandal. Sie weisen darauf hin, dass es eine wichtige Funktion der von der Stadt beschlossenen Bebauung des Dietenbachgeländes ist, vom Problem der Leerstände, der Zweckentfremdung, der Gentrifizierung abzulenken und so etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen. Nicht erst seit Brechts Dreigroschenroman wissen wir: Politik ist die Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln.

Die von einem massiven Polizeiaufgebot flankierte Demonstration führte an der geräumten Klara 17 vorbei, wo sie von der winkenden und den erhobenen Daumen zeigenden Nachbarschaft begrüßt wurde. Aber es ging auch vorbei an weiterem Leerstand. Nicht zu überhören war, dass an diesen Stellen das Skandieren der Demonstrierenden »Besetzen, halten, Wohnraum gestalten« eine deutlich höhere Lautstärke erreichte, ganz nach dem Motto: Nach der Räumung ist vor der Besetzung.

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