Ein Hooligan mit vielen Freunden

Nicht nur in Chemnitz: Rechte Hooligans sind über Stadtgrenzen und den Fußball hinaus gut vernetzt

  • Nina Böckmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Osten der Republik gibt es ein strukturelles Problem mit Rechten und ihren etablierten Strukturen. Das ist spätestens seit den rassistischen Protesten in Chemnitz im vergangenen Sommers hinlänglich bekannt. Der Fall Thomas Haller, dem beim Heimspiel des Chemnitzer Fußballclubs (CFC) gegen den VSG Altglienicke gedacht wurde, sorgt nun für neue Aufmerksamkeit.

Ist doch nur Fußball?

Haller war stadtbekannter Neonazi, sein Name tauchte in Adressbüchern von NSU-Unterstützern auf. Er war also nicht nur ein normaler Fan des CFC. Bereits in den 1990ern gründete er die Hooligangruppierung »HooNaRa« (Hooligans Nazis Rassisten), der diverse rassistische Gewalttaten zugeschrieben werden. Aus dieser gingen weitere Hooligangruppierungen hervor. So etwa die verbotene Gruppe »New Society«, die sich wohl nicht zufällig mit »NS-Boys« abkürzt und die Gruppe »Kaotic Chemnitz«.

Es überrascht nicht, dass die rassistischen Proteste in Chemnitz Ende August 2018 nicht nur von Hooligans der CFC-Fanszene besucht wurden. Dem Aufruf von »Kaotic Chemnitz« folgten bekannte Rechte und Nazikader aus ganz Deutschland. So nahmen unter anderem der extrem rechte Berliner YouTuber Nikolai N. und der Neonazi Tommy Frenck aus Thüringen teil.

Der rechte Teil der Fanszene des CFC würdigte Haller beim vergangenen Spiel gegen den VSG Altglienicke im Chemnitzer Stadion - mit einer Schweigeminute und einer Choreografie. Am Montag beteiligten sich an der offiziellen Trauerfeier etwa 1000 rechte Hooligans. Dazu fanden sich auch rechte Szenegrößen wie der Pegida-Vizechef Siegfried Däbritz und der Sänger der Neonaziband Landser ein.

Der Verein zog wegen der Gedenkveranstaltung im Stadion Konsequenzen: es folgten unter anderem die Kündigung der Fanbeauftragten und der Verein distanzierte sich vom Geschehen im Stadion. Ist das Problem damit gelöst?

Nein, ist es nicht. Der Fall Haller ist in der ostdeutschen Fußballlandschaft kein einzelner. Nicht nur beim CFC besteht eine Tradition von extrem rechten Akteuren in der Fanszene. »In Sachsens Fußballszene existieren etablierte rechte Strukturen«, sagt der Autor und Hooligan-Experte Robert Claus. Er forscht seit vielen Jahren zur deutschen Fanszene im Fußball. Seit 2015 arbeitet er bei der »Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit« in Hannover.

Ein Netzwerk um den Fußball

Die rechte Szene ist mit Hooligangruppierungen gut vernetzt - besonders in Ostdeutschland. Bei der Trauerfeier für Haller legten beispielsweise Hooligans des Berliner BFC Dynamo und des 1. FC Magdeburg einen gemeinsamen Trauerkranz nieder.

Auch in Leipzig gibt es Probleme mit rechten Fans: Die Anhänger des Viertligisten Lokomotive Leipzig sorgen immer wieder mit rechten Ausfälle für Aufmerksamkeit. Wie eng die Verbindungen zwischen den Hooligangruppierungen von Lok und organisierten Rechten sind, wurde spätestens durch die wöchentlichen Veranstaltungen von Legida, dem Leipziger Ableger von Pegida, ersichtlich.

Auch viele Fans von Lok nahmen an den rassistischen Demonstrationen teil. Einige Legida-Aktivisten der ersten Stunde, beispielsweise Marco P., stehen laut Medienberichten der Hooliganszene des Lok Leipzigs nahe. Der Höhepunkt: am 11. Januar 2016 griffen mehr als 200 rechte Hooligans den linksalternativen Stadtteil Connewitz an. Ein Großteil von ihnen stammt aus der Fanszene des Leipziger Traditionsvereins. Doch auch Hooligans aus Dresden, Halle und sogar Berlin beteiligten sich an dem Überfall.

Die Verbindungen der rechten Hooligans gehen auch über den Fußball hinaus. Im Leipziger Kampfsportstudio »Imperium Fight Team« trainieren rechte Lok-Fans. Einige von ihnen waren bei den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz anwesend, gegen einige laufen zudem Gerichtsverfahren wegen des Angriffs auf Connewitz. Bei einem Kampfsportevent des Studios waren nach Bekanntwerden der rechten Umtriebe einer Vielzahl der Mitglieder einige Sponsoren des Events abgesprungen. Ein stadtbekanntes Leipziger Bordell, eine Tabledance Bar, die als Treffpunkt der Szene gehandelt wird und eine Security-Firma, der enger Kontakt zur Szene nachgesagt wird, sponserten das Event auch nach dem Bekanntwerden weiter.

Ziemlich beste Freunde

Für eine fortgeschrittene Vernetzung der Szene über Sachsens Grenzen hinaus spricht auch die Freundschaft zwischen den Hooligans des Chemnitzer FC und des Energie Cottbus. Regelmäßig beziehen sie sich mit Banner- und Fahnenaktionen aufeinander.

Nach Medienberichten waren auch Hooligans aus Cottbus im August bei den Aufmärschen in Chemnitz anwesend. In Cottbus selbst kam es ebenfalls zu rechts motivierten Gewalttaten und rassistischen Anfeindungen. »Eine wichtige Parallele, die zwischen Cottbus und Chemnitz besteht, ist die nicht allzu lang zurückliegende Auflösung der Kameradschaften in beiden Städten. Die Fußballszene dient also auch als Auffangbecken für ehemalige Kameradschaftsmitglieder«, sagt der Hooligan-Experte Claus.

Auch auf den regelmäßig in Cottbus stattfindenden Demonstrationen der rassistischen Initiative »Zukunft Heimat«, die ein Sammelbecken für Rechte jeglicher Couleur sind, tauchen immer wieder Mitglieder der Cottbuser Fußballszene auf. In Cottbus und Chemnitz ist die Entstehung progressiver beziehungsweise linker Ultragruppen mit Gewalt unterbunden worden. »Es fehlt in beiden Städten ein Gegengewicht in der Szene«, sagt Claus. »Die Vereinshandlungen können nicht einzig daraus bestehen, rechte Gewalt zu verurteilen, sondern sie müssten aktiv unterstützen, wenn sich progressive Fangruppen bilden.«

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