- Politik
- Mueller-Bericht
Freispruch zweiter Klasse
Auch nach dem Mueller-Bericht werden Trump und die USA nicht zur Ruhe kommen
Zur Erinnerung: Der frühere von George W. Bush bestellte FBI-Chef Robert Mueller war im Mai 2017 als Sonderermittler des Justizministeriums ernannt worden, acht Tage nach Rausschmiss von FBI-Direktor James Comey durch Trump. In den 650 Tagen bis zur Fertigstellung seines Reports vernahmen Mueller und sein Juristenteam rund 500 Zeugen und setzten ebenso viele Durchsuchungsbefehle um. Mueller erwirkte 34 Klagen. Allein 25 Russen wurden wegen Wahlmanipulation angeklagt, zudem mehrere Berater aus Trumps Team wegen diverser Delikte wie Betrug und Steuerhinterziehung, Meineid und Geldwäsche.
Sie alle bekannten sich schuldig oder wurden von einer Jury verurteilt. Bis Ende Dezember hatten die Mueller-Ermittlungen laut Politifact Kosten in Höhe von 27 Millionen Dollar verursacht. Dies sei ein Bruchteil der Kosten, die Recherchen früherer Sonderermittler, etwa in der Watergate-Affäre betrugen. Da die Ermittlung rund 48 Millionen Dollar aus Steuerbetrug zurückholte, könnte die Mueller-Untersuchung Politifact zufolge sogar einen Gewinn erbringen.
Der Hunderte oder Tausende Seiten – öffentlich ist dazu bisher nichts Genaueres bekannt – umfassende Mueller-Bericht gliedert sich nach den vorläufigen Angaben aus dem vierseitigen Resümee von Justizminister William Barr in zwei Teile: Der eine galt russischer Einmischung in die US-Wahl 2016, der zweite Teil etwaiger Behinderung der Justiz in den Russland-Ermittlungen durch Trump.
Bei Redaktionsschluss war nicht nur der volle Inhalt des Mueller-Reports weiter unbekannt, Trumps neuer Justizminister Barr, vorläufig die einzige Quelle, zitierte in seinem Fazit auch keinen einzigen Satz Muellers in Gänze wörtlich. Nach dem, was bekannt ist, stellen sich wichtige Erkenntnisse des Sonderermittlers nach Barrs Lesart so dar: Die Frage, ob Moskau die US-Wahlen 2016 beeinflusste, bejaht Mueller ohne Einschränkung. Die Russen hätten namentlich über soziale Medien Desinformationskampagnen gefahren, um das amerikanische Wahlergebnis »zu beeinflussen«. Zudem habe Russlands Regierung »mit Erfolg« Computer und E-Mails der Demokraten gehackt und das Raubmaterial veröffentlicht.
Die Frage nach erwiesenen Absprachen zwischen Trump und seiner Mannschaft auf der einen sowie Russland auf der anderen Seite verneinte Mueller. Barr zitiert Mueller auszugsweise: »… die Ermittlungen haben nicht bewiesen, dass Mitglieder von Trumps Wahlkampfteam mit Russlands Regierung bei ihren Aktivitäten zur Wahlkampfbeeinflussung verschworen oder koordiniert waren«. In der Frage, ob Trump in der Russland-Untersuchung die US-Justiz zu behindern suchte, kam Mueller dem Übermittlungsfilter Barr zufolge zu keinem »schlüssigen« Urteil. Er habe daher das Prinzip »Im Zweifel für den Angeklagten« gelten lassen. Wieder zitiert Barr Mueller mit einem Bruchstück: »… während dieser Bericht nicht zum Schluss kommt, dass der Präsident sich strafbar gemacht hat, entlastet er ihn auch nicht«. Mueller habe laut Barr »Indizien für beide Seiten« gefunden. »Komplette und totale Entlastung« hat also nur einer gesehen: Donald Trump.
Wie geht es nun weiter? Die seit Trumps Wahl beispiellos gespaltene amerikanische Gesellschaft wird auch nach Muellers Bericht vermutlich nicht zusammenfinden. Im Gegenteil, die Polarisierung wird sich vertiefen und den de facto begonnenen Wahlkampf 2020 vergiften. Auch juristisch bleibt der Präsident an mehreren Flanken bedrängt.
Die Demokraten werden auf Offenlegung des Mueller-Reports und auf Befragung Barrs und Muellers unter Eid in den laufenden Untersuchungen mehrerer Kongresses-Ausschüsse drängen. Trump und Mitglieder seiner Familie sehen sich – unabhängig vom Mueller-Bericht – Ermittlungen durch mehrere Staatsanwaltschaften wegen Schweigegeldzahlungen, Verstößen gegen Wahlkampfspendengesetze, finanzieller Ungereimtheiten bei Trumps Amtseinführungsfeier und, ganz allgemein, korrupten Finanzgebarens von Trumps Firmenimperium gegenüber. Der »Guardian« schrieb deshalb in einer ersten Analyse: »Wir können vor einem Jahr weiterer Enthüllungen durch den Kongress und vor einem Jahr weiterer juristischer Anklagen stehen. Die Wahl 2020 dürfte sich mehr mit Trumps Eignung fürs Amt als mit Rückblicken auf die letzte Wahl befassen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!