»Leichter Zigeunereinschlag; besser nichts anbieten«

Wohnungsgenossenschaft Hameln räumt rassistischen Vermerk ein. Dieser gelangte unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Maja M. (Name geändert) sucht schon länger eine Wohnung. Auch bei der Wohnungsgenossenschaft Hameln in Niedersachsen hat sich die 68 Jahre alte Sinteza, die seit rund 60 Jahren in der Stadt lebt, beworben. Vor einer Woche erhielt sie von dem Unternehmen einmal mehr das übliche Formblatt, den »Interessenbogen zur Wohnungssuche«.

In der Rubrik »Bemerkungen« standen dieses Mal die Wörter: »1 Pers.; leichter Zigeunereinschlag; besser nichts anbieten!« Der offenkundig von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Wohnungsgenossenschaft gefertigte Vermerk war aus Versehen nicht entfernt worden, bevor der Bogen an die Bewerberin ausgehändigt wurde.

Sie sei zunächst »sprachlos« gewesen, erklärte die 68-Jährige gegenüber der lokalen »Deister- und Weserzeitung«. Weil ihre Mutter wie viele andere ältere Verwandte von den Nationalsozialisten als »Zigeuner« verfolgt, in Konzentrationslager oder Ghettos gesperrt und teilweise ermordet worden seien, sei sie für rassistische Diskriminierung sensibilisiert. So einen Satz über sich lesen zu müssen, hätte sie niemals von dem Wohnungsunternehmen erwartet, erklärte die Frau. »Aber jetzt kann ich mir natürlich erklären, weshalb die WGH nie eine Wohnung für mich hatte.«

Die Wohnungsgenossenschaft hat inzwischen ein Fehlverhalten eingeräumt und den fatalen Vermerk kritisiert. Wer den rassistischen Eintrag zu verantworten habe, könne derzeit nicht beantwortet werden und müsse noch ermittelt werden, sagte WGH-Vorstand Heinz Brockmann.

Es gebe keine Anweisung, »Personen, welcher Herkunft auch immer, zu bevorzugen oder zu diskriminieren«, stellte Brockmann klar. »Von der Aussage ›Zigeunereinschlag‹ distanzieren wir uns in aller Form und werden dieses auch nicht dulden. Wir können uns nach Kenntnisnahme dieses bedauerlichen Vorfalls nur ausdrücklich bei der betroffenen Person entschuldigen und versichern, unsere Wohnungen für alle Bevölkerungsgruppen bereitzustellen.«

In die Aufklärung des Falls hat sich auch WGH-Aufsichtsrat Hubert Volkmer eingeschaltet. »Ich möchte wissen, ob das eine einmalige Entgleisung ist, oder ob das System hat«, sagt er. Dafür sei ein Prüfverfahren in die Wege geleitet worden, in dem »alle Unterlagen untersucht werden«.

Der Vorsitzende der in Köln ansässigen Sinti-Allianz, Oskar Weiss, sprach von »offenem Rassismus«. »In Hameln ist die Situation schlimmer als bei uns hier in der Großstadt, wo die Menschen einander lockerer sehen«, meint er. Der Vorgang könne so nicht stehen bleiben. Die Sinti-Allianz rate der Betroffenen deshalb dringend, den Fall zur Anzeige zu bringen.

Die Hamelner LINKEN-Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann wandte sich mit einem offenen Brief an die WGH. »Diese Denke muss raus aus den Köpfen der Menschen«, schrieb sie. Auch sie rät der betroffenen Frau zu einer Anzeige. Zudem müsse ihr nun eine Wohnung angeboten werden.

Die vier Landtagsabgeordneten Anja Piel (Grüne), Petra Jouumah (CDU), Ulrich Watermann sowie Dirk Adomat (beide SPD) gehen nicht davon aus, dass es sich um einen einmaligen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz handelt. Sie schreiben: »Im Gegenteil, wir müssen befürchten, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Wie viele ähnliche Vermerke nie die Öffentlichkeit erreichen, wissen wir nicht.«

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